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Zwei Frauen warten auf eine Gelegenheit - Kapitel 3

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  3. Kapitel 3
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rettet mich vor dem Tod. Ich gebe mir jeden Tag Mühe. Die Vorstellung, dass ich niemandem mehr gefallen könnte, macht mich total fertig, so, als ob das, woraus ich bestehe, unter mir zusammenbricht! Als ich mir vor einem Jahr eine Lesebrille anfertigen ließ, vermaß der Optiker mein Gesicht und sagte: »Sie haben den goldenen Schnitt. Das gibt es selten.« Ein begabter Verkäufer. Bin an schlechten Tagen so verblendet, dass ich das Kompliment glauben will. Niemals wird mich Heinrich überwachen, er ist ja kein Stasityp. Was seine Vorliebe für Musik betrifft, ich weiß, dass er zu Barockmusik »Gelüddel« sagt. Dennoch: Er hört mit Vorliebe Glenn Gould, am liebsten die Goldberg-Variationen, Bach, von ihm gespielt, erträgt er. Bach-Gould-Gelüddel.

21 I, Hannover, Ernst-August-Platz. – Warum reagierst Du auf alles, was ich sage, so heftig? Niemals, niemals, niemals würde mich Heinrich überwachen! Ich bitte Dich, es gibt eine Menge Leute, die gegen den Überwachungsstaat auf die Straße gehen, aber nichts dabei finden, ihre Nächsten auszuspionieren.

Vielleicht nennt er sich im Augenblick Heinrich. Früher hieß er anders. Zu Barockmusik würde er nie, wie Du es nennst, »Gelüddel«, sagen. Dass er noch immer mit Vorliebe Glenn Gould hört, wundert mich. Welche von Goulds Einspielungen der Goldberg-Variationen ist es denn?

Frag Deinen Heinrich nach Musikinstrumenten. Schau Dich in seiner Wohnung um. Er spielt Gitarre, Oud, türkische und arabische, Mandoline, Ukulele.

Wenn Du fündig wirst, ist es nicht Heinrich. Sondern der, den ich meine.

Ich weiß nicht, warum, aber es ist so. Deine Bekanntschaft mit ihm macht mir Angst. Hast Du ein Foto?

22 M, Wien, Am Graben. – Bin ich die naive Nuss, die alles glaubt, was ihr vorgespielt wird? Wenn das mit Heinrich so ist, wie Du behauptest, dann hat er einen Hirnschaden. Wir reden von verschiedenen Männern! Warum sollte Heinrich so liebevoll und fürsorglich zu mir sein, wie mein Papa nie zu mir war? Warum sollte er an meinem Bett sitzen und meine Hand halten, wenn ich Angst habe? In allem, was ich sehe, spüre ich eine Gleichmäßigkeit meiner Vorstellungen. Gerade ist er fortgegangen, er trug seinen Sommeranzug, der weiß ist wie italienisches Weißbrot. Kennst Du diesen Anzug? Mich schütteln die Ereignisse. Gestern, als ich Deine Nachricht erhalten habe, war ich waghalsig und habe seine Schubladen durchstöbert. Ich fand Tabletten und Uhren, auch nur einen einzigen Pass. Du irrst Dich! Menschliche Schwächen, wie ich sie habe, finde ich bei ihm nicht. Wir hatten noch keinen Sex. Glaubst Du, er könnte pervers sein? Gerade kam mir die Vorstellung, dass er wollte, ich solle ihn verprügeln, und dann seine Wunden pflegen. Du vergiftest mich. Ich will wieder glauben wie ein Kind. Da habe ich mich vor dem Bildstock mit der dornengekrönten Muttergottes auf die Knie fallen lassen und unter Weinen gefleht, sie solle meine Mama nicht sterben lassen. Vergifte mich nicht! Meine Mama ist gestorben, da war ich sieben. Du vergiftest mich! Was ich bin, will ich bleiben, und nicht nur auf dem Bildschirm. Du willst mir verklickern, wie viel weltgewandter Du bist. Dabei stecken Deine Schuhe im Moor. Manches wird wirkungsvoller, wenn wir es verbergen. Ich schäme mich, dass ich zweifle.

23 I, Hannover, Ernst-August-Platz. – Manchego, Schweizer Nussi, Wensleydale Cranberry, Cheddar Mexicana, damit punktest Du bei ihm. Wein, Käse, Brot. Man darf die Gerüche nicht durcheinanderbringen. Heinrich ist ein Zeremonienmeister. Schwarz ist Passion. Er wird Dich in den Himmel wiegen.

Sei es darum.

Ich war nie weltgewandt. Das dachte ich immer von Dir. Ich bin ein Angsthase. Niemals unerschrocken. Außer für meine Liebsten. Da bin ich eine Löwin.

Dass unsere Kinder zusammen gespielt haben, dass Du und ich nie Geld hatten, dass wir einander verstanden haben, ohne einander zu verstehen.

24 M, Wien, Am Graben. – Schön, was Du im zweiten Teil geschrieben hast. Mein Herz hüpft, es ist auch so, als hättest Du mir ewige Freundschaft versprochen.

Deine internationalen Fressnamen verunsichern mich, außerdem, wie soll ich das bezahlen, bekommt man das in der Apotheke? Du hast aber schon einen Funken Misstrauen für Heinrich in mir gesät, und er spürt das, also ist auch er vorsichtig, das ist sehr irritierend für unsere keusche Beziehung. Er macht mir neuerdings auch Avancen, wir trinken am Abend Whisky, ich beobachte ihn haarscharf und stelle fest, dass er mir auf den Busen starrt. Ich werde doch nicht in meinem Alter plötzlich verkrampft werden, das wäre schließlich das erste Mal im meinem Leben. Ich denke mir beim dritten oder vierten Glas, er will mich auf seinen Schwanz fokussieren, er lag halb zurückgelehnt und lockte mich mit seinen Schmachtaugen. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn eklig fand. Findest Du mich normal?

Er hat ein Freudenhaus, so nennt er sein Wochenenddomizil, irgendwo vor Wien im Grünen, dort ist Garten und gemütlich. Ich hatte einen Funken und wünschte mir, mit Dir dort hinzuziehen, wir könnten alle unsere Enkelkinder einladen. Habe Heinrich noch nichts gesagt. Ich glaube, ohne Intimitäten wird er mir das Haus nicht geben. Was soll ich tun? Ich vertraue ja den Naturgesetzen und somit meinem Selbsterhaltungstrieb. Es wäre nützlich. Ich weiß, das Nützliche ist nicht so liebenswert wie das Edle. Soll ich Heinrich noch weiter werben lassen? Was weißt Du über den Mann im Allgemeinen und den im Besonderen und über Gorillas? Ich bin trotz meiner heftigen Affären ein Unschuldsschaf.

25 I, Hannover, Ernst-August-Platz. – Du meckerst über meine Käseliste. Dabei hört sich die, laut gelesen, total stark an. Namen von Rosen, Städten, Fußballvereinen, sogar von Pistolen, haben einen guten Drive. Sie beruhigen. Vor Jahren, mir wurde gekündigt, ich verlor die Wohnung, hatte kein Geld, wollte nach Hause. Per Anhalter von Frankurt/Main nach Dornbirn. Es war Mitte September, aber schon ziemlich kalt. Irgendwo nach Frankfurt hat mich so ein Typ an einem Rastplatz nach Mitternacht aus dem Auto geworfen. Keine Menschenseele war da. Nur so ein gespenstisches Scheißhaus. Und Nebel. Ich sah nichts, und ich hörte nichts. Als wären von der Welt die Geräusche verschwunden. Vor Angst fing ich an, meine Namenslisten herunterzuleiern. Das hat geholfen.

Liebste Freundin, lass Heinrich auf Deinen Busen starren! Ist doch viel besser, als wenn er dauernd vor Dir hin und her ginge und sagen würde, was für ein toller Hecht er sei.

Dass ich nicht vergesse, Dir zu erklären, Heinrich ist nicht der, den ich meine. Verzeih, meine Freundin, dass ich Dich verunsichert habe. Aber Deine Bemerkung gestern, dass Dein Galan Dir auf den Busen starrt, hat mir jeden Zweifel genommen. Der, den ich meine, würde nicht einmal nach einer ausgetrunkenen Flasche hochprozentigen Wodkas seine Contenance verlieren. Schmachtaugen? Niemals! Der ist stolz und dreht erst im Bett auf.

Tut mir leid, dass ich Dir das so krass sagen muss. Dein Heinrich ist ein Schleimer und sein Freudenhaus, so es ihm überhaupt gehört, ein Domizil für Hypochonder und Baldrianfreaks. Und da willst Du mit unseren Enkelkindern hin und Feenfeste feiern!

Heute habe ich mir etwas geleistet. Eine pinkfarbene Armbanduhr mit Weltzeitanzeige. Ich muss immer wissen, wie spät es überall ist. Früher habe ich mir nie Uhren gekauft, weil ich sie immer von meinem Vater zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Aus unerklärlichen Gründen waren sie dann spätestens nach einem Monat unauffindbar.

Daraufhin hat mein Vater umgestellt und angefangen, mir mit Perlen bestickte, sorbische Eier zu schenken. Keine Ahnung, wie ihm so etwas in den Sinn gekommen ist.

Mein Vater wäre gern Astronom geworden. Aber er ist ein Erfinder. In unserer Kindheit kamen zu uns nach Hause Leute, die an den Konstruktionen meines Vaters interessiert waren. Leider fehlte meinen Eltern das Geld für Patentanmeldungen.

26 M, Wien, Am Graben. – Eines weiß ich: Dein Heinrich ist nicht mein Heinrich. Er hat im Bett noch nicht aufgedreht, und das ist gut so, alles ist komplizierter, als ich es gewohnt bin. Überall (natürlich nicht überall, zum Beispiel nicht auf der Toilette, sonst aber in allen Räumen und Fluren) in der Wohnung stehen Fotografien seiner Mutter herum. Er führt mich vor den Spiegel, dreht mit seiner rechten Elfenbeinhand meine Haare zu einem Turm, dann nimmt er die linke und zeigt das Foto seiner Mutter im Spiegel. Ja, er ist ein Ödipus! »Siehst du die Ähnlichkeit«, sagt er, und ich sage, »nein, sehe ich nicht«, und er, »der Mensch selber weiß nie, wie er aussieht.« Ihm habe es das erste Mal, als er mich gesehen hat, die Sprache verschlagen. »Ich bin nicht deine Mutter«, sage ich, »und ich werde nie deine Mutter sein.« Man stelle sich diesen Satz vor! So tief bin ich gesunken! Seine Mutter war Tänzerin, hat aber nie getanzt, weil ihr Mann nicht wollte, dass sie andere Leute anschauen. Also nur zu Hause getanzt. Und dennoch: Tänzerin. Sagt der Sohn. Eine Frau mit schattigen Augen. Sie hat sich selbst getötet, und ich wage nicht zu fragen, wie, weil ich Angst vor seinem Déjà-vu habe. Sein Leben ist ein einziger rosebud. Ich muss mich gegen meinen Mutterinstinkt wehren, Heinrich an mich drücken, über sein Haar streicheln, wie damals bei meinen Babys. Ich will nicht seine Gorillafrau sein. Darum eine Frage wegen der Gorillas.

Mein Leben ist ein zweischneidiges Messer, zu planen wäre verwegen, ich will Heinrich nicht benützen und in seinem Freudenhaus Feenfeste feiern. Unterstell mir das nicht! Ich muss alles dem Zufall überlassen. Intuitiv zu reagieren ist das Einzige, was mir bleibt.

Warum hat Dich der Mann damals aus dem Auto auf die Straße geschmissen? Erst hatte ich mich verschrieben und »geschissen« geschrieben, das passiert einer Schriftstellerin, die sich dann überlegt, welches Wort sich besser eignet.

Manchmal scheinst Du arrogant, und das lässt mich wie eine Idiotin aussehen. Dann wieder bin ich beflügelt von Dir, ich fliege voraus, Du folgst mir nach. Laute Beratungen über Heinrich wären mir

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