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Zwei Frauen warten auf eine Gelegenheit - Kapitel 18

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getanzt. Zum Essen gab es Schöpsernes, dazu Krautsalat. Später Krapfen. Meine Schwester und ich kauften an einem der Stände Armreifen und Kettchen.

Am Nachmittag spielten die Musikanten für jede Familie einen Tusch. Als wir an der Reihe waren, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken.

Liebe Freundin, Du bist plötzlich kreideweiß! Geht es Dir nicht gut?

Ich habe Angst, dass Du umfällst.

Kennst Du das Ölgemälde von Géricault, Das Derby von Epsom?

Darauf jagen vier Reiter auf ihren Pferden unter schwarzen Gewitterwolken über die Rennbahn. Die Pferde sind so lang, als wären sie in der Mitte auseinandergezogen. Man hat das Gefühl, sie können nie mehr stehen bleiben.

126 M, Wien, Am Graben. – Wegen eines kleinen Gedichts, das in der FAZ abgedruckt war (Heinrich hat es ohne mein Wissen hingeschickt), kamen Kameraleute, um ein Porträt von mir zu machen. Ich war nicht einmal beim Frisör, sollte ich die Haare fridakahlomäßig aufstecken oder sie einfach hängen lassen? (Das sieht so nachlässig aus – oder ist Nachlässigkeit sogar das Angesagte?) Das also, meine Liebe, sind die Sorgen Deiner oberflächlichen Kinderfreundin – obwohl ja die Oberfläche auch nicht zu unterschätzen ist – die Untersuchung der Oberfläche könnte eine philosophische Abhandlung abgeben.

Das Gedicht:

Sie griff in den Kühlschrank

Die schräge Lampe

verfärbte den Wurstanschnitt

und leuchtete auf ihre Fingernägel

Sie trank den Birnensaft leer

und als sie wieder draußen war

im Tageslicht – donnerstags

zitterte sie

spülte ihren Mund mit Wodka

und legte sich zwei Stunden später

ins blaue Salzbad

Also, gerade sind die Filmleute da, und ich denke, es ist witzig, wenn ich Dir schreibe, während sie filmen, sie können ja nicht wissen, was ich da fabriziere, aber während der Kameramann um mich herumschleicht, denke ich gerade, Du sitzt im Wald auf einem Moosteppich, und um Dich herum wachsen Fliegenpilze, iss sie ja nicht, sage ich zu Dir, weißt ja, was dann passiert, pflück sie vorsichtig, am Abend bringst Du sie mit nach Hause, legst sie auf einen dunklen Platz, ich schütte Milch darüber, und morgen ist die Milch grünlich und das Gift ist fast heraus, lässt aber noch so viel drin, dass wir, wenn wir die Pilze dann zu Polenta essen, sehr bald gut fidel sein werden. Ist interessant, weil es bei jedem anders wirkt. Heinrich, diesem Giftler, zum Beispiel tut es gar nichts, der ist das ja gewohnt, mir stellt es die Härchen auf. Aber wirklich, komm morgen!!!

Jetzt steht er mit der Kamera hinter meinem Rücken und filmt mir auf den Kopf auf die verfilzten Haare, o Gott, hätte mich doch noch kämmen sollen, dachte aber, ein bisschen zerwühlt passt zu meinem Inwendigen. Jetzt zielt er mit der Kamera auf meine Finger, die auf die Tasten hauen, wenn er wüsste, was ich da für einen Unsinn schreibe, er hat gerade gesagt, dass er Blunzengröstl liebt, er hat ein Flinserl im Ohr. Ich soll einfach weiterschreiben. Wenn der wüsste, dass mein Hirn da gar nicht mehr mittut, tippen, so tun, als denke ich, tippen … Wenn Du dann vom Moos aufgestanden bist, schau, ob Du ein paar Maiglöckchen findest, hab schon lange keine mehr gerochen, ich liebe sie. Habe in Leipzig einen Übersetzer kennengelernt, er übersetzt aus dem Bulgarischen, einen Flattermann, er schreibt mir kluge Mails. Er lebt mit so wenig Geld, das kannst selbst Du Dir nicht vorstellen. Beim Frühstück in dem Viersternehotel in Leipzig hat er in seinen Rucksack einiges an Schwarzbrot eingepackt, das wollte er nach Sofia mitnehmen – kann man gut aufbacken oder mit einem Ei eine vorzügliche Nachspeise kreieren, sagte der Flattermann.

127 I, Hannover, Ernst-August-Platz. – Liebe Freundin, statt fridakahlomäßig hab ich frikadellenmäßig gelesen. Dauernd lese ich Dinge, die gar nicht dastehen. Einerseits furchtbar, wenn man bedenkt, was man durch ungenaues Lesen alles anrichten kann, andererseits lustig, weil es unerwartete Wendungen herbeiführen kann.

Pilze, Pilze. Nach dem Regen sind sie da. Eierschwammerln haften wie gelbe Broschen auf dem Waldboden.

Ganz anders der dicke Steinpilz, der Parasol mit dem Sombrero und dem Ring um den Hals, die Morcheln, die wie kleine vermoderte Pharaonen aussehen.

Und der Fliegenpilz? Solche Hüte tragen nur Königinnen, die Gift und Galle spucken.

Was ist ein Blunzengröstl? Hört sich nach Kannibalismus an.

Die letzten Maiglöckchen kaufte ich 2008 auf einem Wochenmarkt.

Ich komme an keiner Blume vorbei, ohne an ihr zu riechen. Meine Erinnerung besteht aus Gerüchen. Kein Tagebuch, keine Briefe. Einmal bin ich auf den Kopf gefallen. Da roch plötzlich alles gleich. Ich war entsetzt. Wollte nur noch mit einem Raumschiff abhauen.

Vorgestern hatte es hier neunundzwanzig Grad und heute Morgen waren es zwei Grad.

Jakob sagt, dass er nach langen Autofahrten keine toten Insekten mehr auf der Windschutzscheibe findet. Noch vor wenigen Jahren war das anders. Die Scheiben waren voll davon.

Liebe Freundin, ein Kameramann, der den Hinterkopf filmt, muss ein Profi sein. Sonst sieht Dein Scheitel aus wie eine gebrauchte Zahnbürste. Auch die Finger, mit denen Du, wie Du schreibst, auf die Tasten haust, erkennst Du sonst nicht wieder.

Ich besuche Dich morgen. Aber nur, wenn Du Polenta kochst.

128 M, Wien, Am Graben. – Raumpatrouille. Weißt Du eigentlich, was die Requisiteure als Steuerknüppel des Kommandanten verwendet haben? Ein Bügeleisen, habe ich gelesen, ist doch wirklich formidabel!

Wenn ich etwas kann, dann ist es Polenta-Kochen. Heinrich ist ganz verrückt danach, für ihn mache ich den Polenta mit Parmesan, für meine Kinder habe ich ihn lange gestampft, und dann haben sie ihn als Riebel gegessen – mit Milchkaffee.

Wie hättest Du ihn denn gern?

Ich fühle mich heute so dumm, verzeih mir!

129 I, Hannover, Ernst-August-Platz. – Warum bittest Du mich um Verzeihung, wenn Du Dich dumm fühlst. Geh schwimmen! Danach hängt der Himmel wieder voller Geigen.

Aber bitte, komm nicht in meine Nähe, wenn Du kribbelig wirst und Dir nichts mehr passt. In so einem Zustand hast Du einmal alle Vorhänge in meiner Wohnung heruntergerissen und wie eine Furie darauf herumgetrampelt. Angst hatte ich nicht vor Dir. Dazu sah das einfach zu komisch aus. Aber die wunderschönen Vorhänge! Ein Erbgeschenk meiner Tante.

Noch heute fange ich an zu weinen, wenn ich daran denke, was Du angerichtet hast. Reinigen, nähen oder sie sonst irgendwie wieder zusammenflicken hätte nichts gebracht. Du hast sie einfach komplett ruiniert. Aber ich habe Dir am nächsten Tag schon wieder verziehen.

Wenn ich Dich besuche, die Polenta bitte nicht fest!

130 M, Wien, Am Graben. – Ich habe ziemlich viel Verzweiflung niedergeschlafen, und jetzt, halbwegs normal, will ich mich an den Herd stellen und Spiegeleier braten. Dann will ich mir die Haare färben, mich ins Bad setzen, ein paar Turnübungen machen und mich dann, frisch und fröhlich, an den Frühstückstisch setzen. Unsinn! Die Reihenfolge ist falsch. Nach dem Eierbraten stinken meine Haare, und mein Morgenmantel riecht nach Fett. Ich decke den Tisch, zupfe aus dem alten Blumenstrauß die verwelkten Blüten, wässere neu ein, hole aus dem Rohr das gebähte Brot und rufe Heinrich. Er setzt sich mit dem Pyjama an den Tisch, angelt sich die Zeitung und schaut, ob seine Facebook-Aktie immer noch nicht gestiegen ist. Er will nicht mit mir reden. Vor dem Fenster fällt Regen, ich sage, Robin Gibb ist gestorben, er reagiert nicht. Ich will noch sagen, so ins Leere hinein, dass ich die Bee Gees nie gemocht habe, finde es aber gleich geschmacklos und wünsche dem Toten ein gutes Leben im Jenseits. Sie waren mir einfach immer zu nett, denke ich weiter, Robin Gibb und seine Brüder, sage aber wieder nichts und gehe endlich ins Bad. Wähle als Färbungsfarbe Naturbraun, weil ich mich gerade seriös fühle. Ich setze mich in das Bad mit Zitronenduft. Mir fällt noch ein, dass Robin Gibbs Zwillingsbruder irgendwann ertrunken ist, oder verwechsle ich da etwas, was man alles im Kopf aufbewahrt. Ich habe Heinrich abgeraten, sich Facebook-Aktien zu kaufen, aber so ist er halt. Seine Bühne gestaltet er selbst. Ich föhne mir die Haare deshalb nicht, weil sie dann meinen Kopf ums Doppelte vergrößern. Der zwölfmilliardenschwere Russe Roman Abramowitsch sieht seine Phantasien erfüllt – seine Chelsea-Mannschaft hat das Match gegen Bayern gewonnen, während der Life-Ball stattfand. Die Straßen waren menschenleer. Den Ausklang des Life-Balls sah ich mir im Fernsehen an. Es gab eine langweilige Modeschau, und Bill Clinton sah irgendwie krank aus, ziemlich abgemagert. Also, nach der Cremespülung greifen sich die Haare weich an. Heinrich sagt, dass es in Norditalien ein Erdbeben gegeben hat, sieben Menschen seien gestorben, die Leute würden im Freien schlafen, trotz heftigem Regen. Seien wir doch froh um unser schönes Leben, sagt er und bringt mir ein Glas kalte Milch. Er hat vergessen, dass ich keine Milch mehr trinke, weil ich aber gerührt bin über seine Geste, warte ich, bis er sich umdreht, und leere die Milch in den Gummibaum. So hört sich das Gelächter des Schicksals an.

Ich warte mit dem Leiterwagen an der Pestsäule – um mich herum Japaner, die mich als »typisch Wien« fotografieren, eine Exzentrikerin mit einem Leiterwagen – und Du hast mich im Stich gelassen – da muss Dir aber eine gute Ausrede einfallen.

131 I, Hannover, Ernst-August-Platz. – Liebe Freundin, Du wartest an der Pestsäule auf mich, während ich, etliche hundert Kilometer südlich von Dir, für die Kleinen im Hexenhäusl meine Omazaubergerichte koche. Spaghetti mit spezieller Soße. Gelbe Rübli. Gurken. Frittatensuppe. Pizza. Natürlich keine fertige Pizza. Die Kleinen wollen helfen! Ich bin froh, dass sie keine Schokolade drauflegen.

Marillen- und Germknödel stehen ebenfalls hoch im Kurs. Polenta eignet sich, ihrer Meinung nach, besser zum Kneten.

Unter dem Hexenhäusldach haben Schwalben Nester gebaut. Die Wespen graue Städte.

Sobald es regnet, kommen aus allen Richtungen Feuersalamander und steigen durch das Gras wie Krieger in schwarz glänzenden Harnischen.

Auf der Veranda lag gestern plötzlich eine Ringelnatter. Mir blieb vor Schreck fast das Herz stehen.

Als Kind fand ich diese Viecher oft im Korb,

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