Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter - Teil 8
ja eigentlich auch nichts gegen Männer. Ich habe ja selber einen, mit dem ich ganz gut zurechtkomme. Es ist eher so, dass ich mir Sorgen mache um Männer. Generell. Was aus denen werden soll, jetzt, wo sie immer weniger damit zu tun haben, Feuerholz zu schlagen, Mammuts zu töten und Regale an die Wand zu dübeln.
Nachdem ich nun einen Jungen in die Welt setzen werde, empfinde ich zum ersten Mal in meinem Leben so was wie Mitgefühl für das andere Geschlecht. Seit sie Frauen nicht mehr unterdrücken dürfen, wissen Männer ja kaum noch etwas mit sich anzufangen.
Männer sind entbehrlich geworden, und das scheint ihnen nicht gut zu bekommen.
Während sie sich vom Sofa aus die Emanzipation der Frauen wie eine Vorabendserie angeschaut haben, haben sie selbst es komplett versäumt, sich zeitgemäß zu entwickeln. Männer sind nicht das, was sie sein sollten. Und das macht es so schwierig für alle Beteiligten. Seit Traditionen zerbröseln und Frauen Karriere machen, gibt es immer weniger Grund für das vermeintlich starke Geschlecht, sich stark zu fühlen.
Die Herrschaft der Männer ist bedroht, das Y-Chromosom schon längst als genetische Ruine entlarvt, und – wir alle kennen das von zu Hause – nichts ist der Stimmung weniger zuträglich als ein Mann in der Krise.
Gerade habe ich leider das Buch «Heldendämmerung» von Ute Scheub gelesen. Es ist gruselig und beunruhigend, ein wuchtiges Werk, das die fortschreitende Entmachtung der Männer beschreibt und gleichzeitig vor der Gefahr warnt, die von entmachteten Männern ausgeht. «Sie wehren sich mit allen Mitteln gegen ihren Sturz – zur Not auch mit Waffengewalt und Kriegen.»
Da steht, und zahlreiche Studien und Experten scheinen das zu belegen, dass unser Land, ja die ganze Welt inklusive aller auf ihr rumlavierenden Männer besser und friedlicher leben würde, wenn Frauen mehr zu sagen hätten: «Dort, wo Frauen gestärkt werden, leben auch Männer und Kinder besser. Schulklassen sind ruhiger und weniger aggressiv, wenn sie zur Hälfte aus Mädchen bestehen. Staaten verfolgen eine friedlichere Außenpolitik, wenn viele Frauen in ihren Parlamenten vertreten sind. Unternehmen mit mindestens drei Frauen in leitender Funktion präsentieren zudem bessere Bilanzen.»
Es gibt natürlich auch völlig bescheuerte Frauen. Carla Bruni zum Beispiel. Die sagte: «Ich will einen Mann, der über die Atombombe entscheidet.»
Simone de Beauvoir sagte, klug wie immer: «Niemand ist den Frauen gegenüber aggressiver oder herablassender als ein Mann, der sich seiner Männlichkeit nicht ganz sicher ist.»
Die erfahrene Zsa Zsa Gabor ist der Ansicht: «Natürlich muss man die Männer so nehmen, wie sie sind. Aber man darf sie nicht so lassen.»
Und meine Freundin Sabine sagt, sehr verständlich: «Mein Mann braucht viel Bewunderung. Aber ich weiß gar nicht, wofür.»
Darüber, was genau männlich und bewunderungswürdig ist, müssen alle mal neu nachdenken. Besonders wir Frauen. Aber ohne die Bruni, sonst mache ich nicht mit.
Früher fand ich den folgenden Satz lustig und habe ihn immer wieder gern zitiert: «Seit mindestens einhundert Jahren gibt es einfach keine Veranlassung mehr, ein Mann zu sein.»
Aber jetzt, mit diesem kleinen Mann im Bauch, fürchte ich mich zum ersten Mal davor, dass die Zukunft vielleicht nur den Frauen gehört und ich gerade dabei bin, ein Auslaufmodell zu produzieren.
Ein Sohn? Das ist ja wie ein Auto ohne Katalysator, wie ein Handy ohne Apps, wie ein Leben ohne Facebook. Ein Mangelwesen. Die schlechtere Variante von Frau.
Auf meinem Schreibtisch liegt ein «Spiegel»-Artikel zu diesem Thema. (Ich möchte an dieser Stelle kurz erwähnen, dass ich nicht den Eindruck erwecken möchte, ich würde ständig den «Spiegel» oder die «ZEIT» lesen. Denn das ist leider nicht so. Mit dem «Spiegel» ist es bei mir so wie mit Obst: Ich finde, ich sollte mehr davon zu mir nehmen – aber letztlich lande ich doch meist bei der «Gala» und einem «Ballisto». Es wäre schön, wenn ich jemanden hätte, der mir morgens das Obst in leicht konsumierbaren Portionen serviert, schön klein geschnitten, mit einem Klecks Vanillejoghurt obendrauf. Habe ich leider nicht. Immerhin sorgen aber die gebildeten Teile meines Freundeskreises dafür, dass mir Ausschnitte aus intellektuellen Medien ab und zu in gut verdaulichen Häppchen präsentiert werden.) Der Artikel, den mir meine Freundin Silke zukommen ließ, hatte die Überschrift «Herrjemine». Hier ist er, auch gekürzt immer noch ein großer Happen schwerer Kost für eine Frau, die gerade einen Mann ausbrütet:
Als neulich eine Kollegin in der Konferenz fragte, wie es eigentlich uns Männern gerade gehe, da konnte man hören, wie die Frage aus dem 12. Stock fiel, wo wir saßen, ganz tief, bis sie auf dem Bürgersteig zerschellte.
Wie jetzt genau?
Der letzte Mann in der Redaktion war erst vor ein paar Tagen in den Ruhestand gegangen, ein meist grummelnder, düster in die Welt blickender Herr und Hüne, der in seiner Freizeit gern Militärmärsche summt.
Am Tisch saßen jetzt nur noch Typen, die schon mal Kochrezepte austauschen oder sich über Kindergartenplätze unterhalten, die an der Größe der Schulterpolster erkennen, ob ein Sakko von 2011 ist oder von 1999, die selbst vielleicht noch nicht im Enthaarungsstudio waren, ganz sicher jedoch jemanden kennen.
Aber Männer?
Die Kollegin schaute uns erwartungsvoll an. Aber da kam nichts. Da war nur Leere. Wir hatten kein Bild von uns, wir hatten keine Worte für uns. Vielleicht war das gut, weil es ein Zeichen war, dass wir uns nicht als Teil einer Gruppe sahen, als Teil eines Problems. Vielleicht war das schlecht, weil wir ein Problem hatten, von dem wir nichts ahnten.
Anders gesagt: Wir wissen heute ganz gut, was eine Frau ist.
Wir wissen aber nicht mehr recht, was ein Mann ist.
Ist er ein sexistischer Clown wie Silvio Berlusconi, dessen Bunga-Bunga-Irrsinn mehr zur Erniedrigung des männlichen Geschlechts beigetragen hat als 1000 Stunden Zwangslektüre von Alice Schwarzers «Bild»-Kolumne?
Ist er ein verzweifelter Allmachtstrottel wie Dominique Strauss-Kahn, der nicht merkt, wie arm es ist, wenn man sich daran aufgeilt, als sein eigenes billigstes Klischee durch die Hotels dieser Welt zu hechten?
Ist er eine Comic-Figur wie Arnold Schwarzenegger, dessen Körperbau so unplausibel wirkte wie seine Ehe mit einer Frau aus dem Kennedy-Clan und der sich mit seinem unehelichen Kind auf eine Boris-Beckerhafte Art lächerlich gemacht hat?
Ist er wirklich, pardon my French, nur schwanzgesteuert?
Haften bleibt: Der Mann als Problem.
Die Frau definiert sich über die Zukunft. Der Mann definiert sich über die Vergangenheit, als Autoritätsperson, als Alleinverdiener. All das ist futsch. Was ihm fehlt, ist ein positives Rollenbild.
Er ist ein ‹Kulturverlierer›, hört er, er ist ein ‹Bildungsverlierer›, er fühlt sich bei Scheidungen schlechter behandelt, weil die Behörden immer noch nach der im Grunde antifeministischen Annahme arbeiten, dass Frauen sich besser um die Kinder kümmern.
Er wird so langsam an den Rand des Arbeitsmarktes gedrängt, dass er es selbst gar nicht merkt, er bildet das Heer der Obdachlosen, er stirbt im Durchschnitt fünf Jahre früher als eine Frau, er bringt sich dreimal so häufig um.
Was also ist heute ein Mann?
Ach, es ist ein Trauerspiel, und ich selbst sehe da im Moment für mich nur eine Lösung: Mein Sohn muss schwul und Modedesigner werden! Weil er dann das Beste beider Geschlechter in sich vereint: Weinen bei «Yentl», aber kein PMS . Shoppen mit Mutti, aber keine Wechseljahre. Bis ins hohe Alter Hot Pants tragen, jedoch frei von Orangenhaut. Kinder von Leihmutter bekommen, ohne die Angst der Neumütter, dass der Bauch für immer wabbelig bleibt und der Partner sich in das hübsche kolumbianische Au-pair-Mädchen verliebt.
Meines Wissens ist das übrigens eine absolute Marktlücke: die Spezialisierung auf die Vermittlung unansehnlicher Angestellter.
Werde mir den Namen «The Ugly Au-Pair» schon mal schützen lassen.
«Die Beziehung zu mir selbst und zum Leben ist tiefer geworden, seit ich etwas habe, dessen Leben mir wichtiger ist als das eigene. Ich glaube, es ist heilsam, ein anderes Wesen mehr zu lieben als sich selber. Sich nicht mehr nur um sich selber zu sorgen, ist ein großes Glücks- und Freiheitserlebnis.»
MARGARETE MITSCHERLICH
11. November
Schwangerschaftswoche: 16 + 0 Tage
Ab heute 5. Monat!
Gewicht: 73 Kilogramm. (Ich habe beschlossen, mich nicht mehr auf die Waage bei meinem Frauenarzt zu stellen. Die geht falsch! Drei Kilo mehr als zu Hause! Diese Demütigung tue ich mir nicht mehr an. Ich wiege mich ab jetzt daheim und flüstere der Sprechstundenhilfe das Ergebnis in einem unbeobachteten Moment zu.)
Im Grunde ist es eine Frechheit, wie selten ich gefragt werde, ob ich schwanger sei. Was glauben die Leute denn, was hier gerade mit mir passiert? Das mich jemand heimlich mit einem Strohhalm aufpustet wie einen Laubfrosch?
Ich informiere jetzt jeden darüber, auch ungefragt, dass ich ein Kind erwarte, damit nicht hinter meinem Rücken erzählt wird, ich sei unheimlich fett und erschreckend kurzatmig geworden.
Ich bin seit heute im fünften Monat. Endlich, denn das passt besser zu dem Anblick, den ich biete. Meinen enormen Bauch kann ich jetzt nicht mal mehr ansatzweise einziehen. Eigentlich ganz befreiend, endlich mal heraustreten zu können aus dem ganzen Fettverbrennungs-Zirkus und Figur-Wahnsinn.
Als Schwangere bist und hast du keine Konkurrenz. Du bist unvergleichlich, außer natürlich mit anderen Schwangeren, die sich übrigens untereinander grüßen – so wie Motorradfahrer.
Als deutlich trächtige Frau kannst du dich nach dem Sport nackig in der Umkleidekabine getrost neben die Dünnste und Schönste stellen. Sie wird sich nicht toll vorkommen, so wie sonst. Und du wirst dir nicht scheiße vorkommen, so wie sonst.
Wobei, ich muss es euch jetzt einfach mal sagen, ihr wohlgestalteten Frauen mit der makellosen Haut, den straffen Schenkeln und dem glänzenden Haar: Natürlich seht ihr viel besser aus als ich. Aber ihr seid nur schön, weil ich es nicht bin! Wenn alle aussähen wie ihr, würdet ihr ja überhaupt nicht mehr auffallen.
Also, legt euch ruhig weiterhin im Freibad neben mich, genießt das augenblicklich eintretende optische Gefälle, sonnt euch neben mir in eurer