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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter - Teil 36

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auf die Himmelfahrt unserer Tante, führt in mir zu einer trägen und traurigen, achselzuckenden Freundlichkeit der Welt gegenüber. Ich nehm noch ein Schlückchen.

Und ich weine friedlich und feierlich vor mich hin.

Ich gönne mir noch eine Handvoll Kekse, die teuren, gekauft natürlich. Wie in jedem Jahr hatte ich mir fest vorgenommen, Plätzchen zu backen, sie in selbstdekorierten Tütchen hübsch einzuwickeln und an die Nachbarn, die Briefträgerin und die Männer von der Müllabfuhr zu verteilen.

Und wie in jedem Jahr habe ich es wieder nicht getan.

Ich habe auch keine Strohsterne gebastelt, keine bezaubernden Kunstschneebilder an die Fenster gesprüht, keinen Stollen gebacken und den Adventskranz nicht selbst geflochten.

Irgendwie hatte ich gehofft, dass man mit einem Kind das Bastel- und das Back- und das Mehrgängige-Menüs-aus-dem-Hut-zaubern-Gen gleich frei Haus mitgeliefert bekommt. Das ist aber nicht so.

Nicht nur die Kekse, auch den Rotkohl habe ich gestern Vormittag fertig gekauft. Mit Schlomo auf dem Arm stand ich in der kilometerlangen Schlange an der Kasse und betrachtete vorweihnachtlich milde gestimmt das geschäftige Treiben. Ich nickte freundlich hierhin und dorthin.

Bis ich wahrnahm, dass die Blicke, die mich trafen, nicht getränkt waren von vorweihnachtlicher Nächstenliebe.

Jetzt bemerkte auch ich es. Es hatte eine Zeitlang gedauert, bis sich der Geruch durch meine abgehärteten Nasen-Schleimhornhäute durchgefräst hatte. Dann aber traf mich der Gestank wie ein Schlag.

Der Schlomenberger schaute lächelnd in die Menge. Wie kann ein so kleiner Mensch so bestialisch stinken? Das fragte ich mich, während ich hektisch und vergebens nach einem anderen Kleinkind in der Nähe Ausschau hielt, um es anklagend anzustarren und ihm die Schuld in die Windel zu schieben. Leider kein Kind weit und breit.

Die ersten Leute hielten sich die Nase zu. Die Frau hinter mir murrte: «Eine frische Windel wäre vielleicht nicht schlecht.»

Was sollte ich tun? Rausgehen und Weihnachten ohne Kekse und Rotkohl feiern? Oder aber riskieren, dass der Laden, womöglich der ganze Stadtteil, evakuiert werden müsste?

In diesem Moment wurde eine zweite Kasse geöffnet, und ich wurde bereitwilligst vorgelassen.

Den anschließenden Windelwechsel zu Hause hätte ich wirklich filmen sollen, damit so ein Kind mal ein Gespür dafür bekommt, was man als Eltern alles so durchmachen muss, bis es groß ist, sprechen, multiplizieren und allein in die Toilette kacken kann.

Es handelte sich um einen sogenannten Rückenkrabbler – ein Fachterminus aus der Welt der undichten Babys, die ihre Windeln sprengen und denen der Kot bis zur Halskrause «hochkrabbelt». Wieder was dazugelernt.

Unter dem Weihnachtsbaum ist kein Platz mehr. Natürlich hat sich niemand an die Vorgabe gehalten, Schlominsky nur ein Geschenk zu machen. Wir auch nicht.

Das hatte zur Folge, dass unser Kind in einem großen Haufen Geschenkpapier verschwand. Der Kleine war rundum begeistert von bunten Schleifen, knisternden Folien und geheimnisvollen Schachteln.

Mein Rat für alle Eltern von Kindern bis zu anderthalb Jahren: Schenken Sie ausschließlich Verpackungsmaterial.

Frohe Weihnachten!

«Ich habe meine drei Kinder beobachtet und eindeutig

festgestellt: Je mehr sie ignoriert wurden, umso besser.»

TOM HODGKINSON

2. Januar

Unfassbar: Mein Sohn hat schon wieder eine Kleidergröße mehr! (Nun ja, ich auch, aber das wollte ich an dieser Stelle eigentlich nicht thematisieren.)

Heute Morgen hörte ich fremdartige Geräusche aus seinem Zimmer. Als ich nachschaute, stand Schlomo frohlockend in seinem Bettchen. Zum ersten Mal. Ein stehendes Kind! Ich fiel fast um vor Schreck.

Seit einer Woche robbt er hurtig durch die Gegend wie ein Soldat in der Grundausbildung. Wenn das so weitergeht, wird er bald ausziehen und uns nur noch an hohen Festtagen besuchen. Mir blutet das Mutterherz bei dieser Vorstellung.

Habe heute jedoch in der Zeitung eine aufmunternde Meldung gelesen und ausgeschnitten:

Junge Deutsche tun sich schwer mit dem Ausziehen aus dem «Hotel Mama». Im Jahr 2010 wohnten in Deutschland 64 Prozent der 18- bis 24-Jährigen noch bei ihren Eltern, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag berichtete. Vor allem Söhne können sich kaum vom Elternhaus trennen: Während nur 57 Prozent der jungen Frauen bis 24 Jahre noch bei ihren Eltern lebten, waren es 71 Prozent bei den jungen Männern.

Das ist, aus meiner Sicht, ein sehr erfreulicher Trend! Ich finde, Selbständigkeit wird heutzutage absolut überbewertet, und ich wüsste nicht, was dagegen spräche, einem 24-Jährigen sein Käsetoast in mundgerechte Häppchen zu zerteilen. Mama macht das doch gern.

«Das Leben mit Kind ist eine

fast schon stupide Lebensform.»

CORINNE MAIER

3. Januar

Die Zukunft meines Sohnes ist fürs Erste gesichert. Habe heute die Bestätigung für einen Krippenplatz bekommen. Ende April, kurz bevor er ein Jahr alt wird, beginnt die Eingewöhnungsphase, und wenn alles glattläuft, wird er vier Wochen später sechs Stunden pro Tag fremdbetreut.

Fremdbetreut. Irgendwie kein schönes Wort. Trotzdem klingt es wie Musik in meinen Ohren.

Denn bei aller Liebe ist die Rund-um-die-Uhr-Beschäftigung mit einem Menschen, der nichts lustiger findet, als wenn ich laut und schrill «Schnuuuuuurzipuuuurziiii» brülle, mich auf ihn stürze und dann auf seinem nackten Bauch mit meinen Lippen groteske Furzgeräusche fabriziere, irgendwie auf die Dauer nicht bewusstseinserweiternd.

Ein verregneter Nachmittag in alleiniger Gesellschaft eines neun Monate alten Kindes kann sich wirklich verdammt lang hinziehen.

Ich langweile mich mit meinem kindischen Kind.

So, jetzt ist es raus.

Und ich bin mir ganz sicher: Mein Kind langweilt sich auch mit mir.

Ich glaube, mein Junge freut sich insgeheim auf den Tag, an dem er einen Teil des Tages in der Obhut von pädagogisch geschultem Fachpersonal verbringen darf, das ihn artgerecht beschäftigt.

Schlomo und ich, wir haben nämlich sehr unterschiedliche Interessen und Auffassungen darüber, was unter einem kurzweiligen Tag zu verstehen ist.

Will ich mal eben meine Mails abrufen, findet er von meinem Schoß aus garantiert mit schlafwandlerischer Sicherheit die «Alles für immer und unwiederbringlich löschen»-Taste.

Will ich im Fernsehen die Nachrichten schauen, möchte er derweil checken, ob auch auf allen Steckdosen Strom drauf ist.

Und will ich einfach mal zwei Sekunden meine Ruhe haben, möchte er mir seine Schaufel auf die Nase hauen oder einen Finger ins Auge piksen.

Es wird Zeit, dass wir getrennte Wege gehen.

Seltsamerweise plagt mich deswegen nicht mal der Hauch eines schlechten Gewissens. Ehrlich gesagt: Ich hätte das Gefühl, etwas fundamental falsch zu machen, würde ich ein oder zwei weitere Jahre ausschließlich auf Kleinkindniveau verbringen.

Als ich diesen Gedanken neulich in meiner Krabbelgruppe äußerte, brach sofort die Hölle los. Denn es ist ja so: Egal, welchen Lebensentwurf du als Frau für dich wählst, es gibt immer eine, die ihren für besser hält und dir das auch ungefragt mitteilt.

Der Geschlechterkampf findet längst nicht mehr zwischen Männern und Frauen statt. Es sind die Frauen, die wohlhabenderen, die bürgerlichen, die sich bekriegen, die giftig und vehement ihr eigenes Lebensmodell verteidigen. Die einen machen Karriere, die anderen Kinder, und unter denen, die Mutter werden, tobt der Kampf am härtesten. «Mommy wars» heißt das in Amerika.

Denn wenn deine Art, zu leben und zu erziehen, nicht das beste, das alleinseligmachende Konzept ist: Was bedeutet das dann für dein Kind, für dessen Entwicklung? Nichts Gutes.

Wenn es um das Wohl des eigenen Kindes geht, hört der Spaß auf. Da werden in den «besseren Gegenden» die manikürten Krallen ausgefahren. Ich spreche von Sandkastenschlachten zwischen Vollzeitmüttern und berufstätigen Müttern, die sich gegenseitig für das Schlimmste halten, was einem Kind passieren kann.

Ich spreche von neurotischen Glucken, überengagierten Stillkühen, radikalen Rohkostschnipplerinnen und hochnäsigen Rabenmüttern, die sich selbst als ebensolche bezeichnen, weil sie sich überlässig finden.

Und ja, ich spreche von dem bedrohlichen Wettrüsten auf Kindergeburtstagen. Johanna berichtete mir neulich von einer Einladung zu einem fünften Geburtstag, wo die gegnerischen Mütter mit bezahlten Artisten, personalisierten Muffins und einer monatelang geplanten Schnitzeljagd eingeschüchtert werden sollten.

Mütter, so leider auch meine Erfahrung, stellen sich untereinander schmallippig fiese Fragen:

«Ach, du willst tatsächlich nur vier Monate stillen?» Oder auch: «Was, du stillst immer noch?»

«Du fütterst Gläschenkost? Interessant. Mir war es wichtig, dass die Geschmacksknospen meines Kindes in ihrer Entwicklung durch frische Nahrung optimal gefördert werden.»

«Oh, dein Kind soll in eine städtische Kita? Bewundernswert, dass dich die großen Gruppen und der elend hohe Lärmpegel dort nicht stören.»

«Was, dein Kind soll erst in der Schule lesen und schreiben lernen?»

Und wenn gar nichts mehr hilft, greifen die listigen Schlangen-Mütter auf einen Satz zurück, der gerne benutzt wird, wenn man sich beispielsweise entschieden hat, dem Sohn Nasentropfen zu geben, statt ihn weiträumig mit Majoranbutter einzureiben: «Das musst du selber wissen. Ist ja schließlich dein Kind.»

Da kann man schon mal durchdrehen, und der Glaube, man könne Beruf, Nachwuchs, Beziehung, Fettverbrennung, Freundschaften und musikalische Früherziehung unter einen Hut kriegen, löst sich in Luft auf.

Es ist, als wenn du mit einem Topflappen eine vierköpfige Familie zudecken willst: Irgendwas guckt immer raus und kriegt kalte Füße.

Mittlerweile sind in Deutschland zwei Drittel aller Mütter mit minderjährigen Kindern berufstätig. Jede fünfte Frau arbeitet Vollzeit, vierzig Prozent Teilzeit. Das sind Tatsachen. Diskutieren braucht man sie nicht mehr.

Frauen haben Kinder, und Frauen arbeiten. Bald wird es auch bei uns kaum noch Frauen geben, die für viele Jahre komplett aufhören zu arbeiten, wenn die Kinder kommen. Ich kenne keine einzige.

Mütter haben, das ist Emanzipation, ihre Berufstätigkeit hinzugewonnen. Aber sie haben blöderweise an anderer Stelle nichts abgegeben.

Sie planen immer noch wie die Verrückten Kindergeburtstage, rennen nach der Arbeit zum Ballett, zum Fußball, zum Klavierunterricht, besorgen im Laufschritt Kommunionsgeschenke, beantragen Kita-Gutscheine per Blackberry, und wenn die Kinder schlafen, bügeln sie deren Schlafanzüge, zumindest die Mütter, die ganz hart drauf sind.

Perfektion ist eine gefährliche und ermüdende Illusion, es sei denn, man entschärft gerade eine Bombe. Und bei dem Versuch, eine «gute» Mutter zu sein, immer beherrscht, immer pädagogisch wertvoll, immer pünktlich und selbstverständlich selbstlos, kann man nur kläglich scheitern. Jeden Tag aufs Neue. Und das verdirbt früher oder später allen Beteiligten die Laune.

Meine Freundin Katja hat einen vierjährigen Sohn, ist alleinerziehend, arbeitet fünfundzwanzig Stunden die Woche für verdammt wenig Geld, kann sich kein Auto und keinen Babysitter leisten und ist

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