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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter - Teil 33

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der Zeit, erwachsen zu werden. Gott wendet die Katastrophen und den Tod nicht ab – aber vielleicht stirbt es sich anders, wenn jemand für einen betet.»

Die Vorstellung, dass einer wie Gott eventuell auch Trost braucht, fand ich wiederum irgendwie tröstlich. Eventuell werde ich erwachsen.

Anne Enright sagt: «Ich war, dachte ich mir, auf eine andere und vielleicht radikalere Weise Mensch geworden. Hatte etwas in den Strom der Zeit gleiten lassen. Was kann man da anderes tun, als dem Fluss zu vertrauen, als alles in die Hände einer höheren Macht zu legen? Ach ja.»

Ach ja, vielleicht. Trotzdem hoffe ich auf ein neues Jahr, in dem es sich leichter glauben lässt.

«Kinder fördern zu wollen,

ist Unsinn. Es reicht, ihnen ihre

Phantasie nicht auszutreiben.»

ANDRÉ HELLER

Anfang Dezember

Schlomo ist sieben Monate alt.

Jetzt ist die Sache eindeutig. Da nutzt kein Leugnen und kein Schönreden mehr.

Es gibt eine sehr betrübliche Tatsache, das Wesen meines Sohnes und einige Bereiche seines Körpers betreffend, die ich lernen muss zu akzeptieren. Ich will es ohne Umschweife sagen: Mein Sohn kommt stellenweise sehr nach mir. Und zwar an solchen Stellen, bei denen ich es mir nicht ausdrücklich gewünscht habe.

Nehmen wir zum Beispiel seine kräftigen Oberschenkel. Oder die gnubbeligen Knie. Gut, vielleicht wächst sich das noch zurecht. Was bleiben wird, ist das Leberfleckchen an seinem unteren Rücken. Sieht ein wenig so aus, als hätte er sich in etwas Unappetitliches reingelegt.

Schon mehrfach versuchten wohlmeinende, meist etwas kurzsichtige Fremdmütter den vermeintlichen Schmutz mit Feuchttüchern von seinem Körper zu rubbeln.

Die wenigen Haare unseres Sohnes haben eine Tendenz zur Lockenbildung am Hinterkopf, besonders bei hoher Luftfeuchtigkeit. An einem schwülen Sommertag sehen Mutter und Sohn Kürthy gerne mal aus wie gerupfte Küken mit Dauerwelle.

Schlomo ist derzeit blond, so wie ich und mein Mann früher auch. Das ist bedauerlich, aber ich hoffe, das ändert sich noch im Laufe der ersten Jahre. Denn Männer mit blonden Locken haben es nicht leicht im Leben.

Sie sehen aus wie Thomas Gottschalk, die Mädchen laufen ihnen in Scharen nach und finden sie «süüüß!», und auf Partys müssen sie sich von beschwipsten Frauen Fragen gefallen lassen wie: «Sag mal, Engelchen, hast du etwa auch blonde Schamhaare?»

Und wenn blonde Männer ergrauen, sieht das immer irgendwie so aus, als würden sie obenrum verschimmeln.

Eventuell ist es etwas früh, sich darüber Sorgen zu machen. Aber zwanzig, dreißig Jahre sind schnell vergangen. Am liebsten würde ich ja auch jetzt schon die Schnittchen vorbereiten, die ich meinem Jungen in kurzen Abständen und ohne Anklopfen in sein Zimmer bringen werde, sobald er mit seinem ersten Damenbesuch darin verschwindet.

Aber sei’s drum, Schenkel, Haare, Pigmentierung – das alles sind Äußerlichkeiten, auf die man ja bekanntermaßen sowieso nicht so viel Wert legen soll.

Jedoch, auch die Persönlichkeit meines Kindes trägt einige Züge, für die ich verantwortlich bin. Er ist beispielsweise kein Freund übergroßer Anstrengung.

«Halt ihm doch was vor die Nase, was ihn interessiert. Dann wird er schon loskrabbeln.» So lautete der Rat meiner resoluten PEKiP-Gruppenleiterin.

Ich lockte mit bunten Tüchern, Bauklötzen und pädagogisch fragwürdigem Plastikspielzeug.

Aber Schlomuckel interessiert sich nicht für Dinge, die außerhalb seiner Reichweite liegen oder deren Erreichen mit für ihn unakzeptablen Mühen verbunden ist.

Er ist, um es freundlich auszudrücken, eher der gemütlichbedächtige Typ. Während mehr als die Hälfte der Kinder in seiner Gruppe schon krabbelt oder robbt, um die Welt zu erkunden, wartet mein Kind unaufgeregt in entspannter Bauchlage, bis etwas Interessantes so nah an ihm vorbeikommt, dass er nur die Hand danach ausstrecken muss.

«Das ist doch ein sehr effizientes Verhalten», versuchte mich die Mutter von Amelie zu trösten, während ihr Blick stolz ihrer Tochter folgte. Die krabbelte gerade mit einhundertzwanzig Stundenkilometern an meinem faulen Sohn vorbei und verpasste ihm dabei einen lässigen Tritt.

Was ihn allerdings auch nicht interessierte.

«Ist doch toll, der Junge ist Natur-Buddhist!» So die Diagnose von Mona, die sich ja nun allerdings überhaupt nicht mit Kindern auskennt. «Die spricht ja schon in ganzen Sätzen», hatte sie neulich anerkennend zur Mutter einer Sechsjährigen gesagt.

«Bewegungstalent ist größtenteils genetisch veranlagt», meinte die PEKiP-Chefin streng in der gestrigen Stunde. Und ich murmelte beschämt was von «aktive Zumba-Kurs-Teilnehmerin und Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen 1981» und wedelte beschwörend mit einer roten Fliegenklatsche vor der Nase meines Sohnes herum.

Ich schubste ihn von hinten, zog ein bisschen von vorne. Nichts. Der rührte sich nicht vom Fleck. Hatte sich offensichtlich gerade gedacht: «Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?», und sich in das Studium seiner eigenen Hände vertieft. Die hat man ja immer dabei, und sie sind somit das ideale Spielzeug für die gemächlich strukturierte Persönlichkeit.

Die Leiterin der Gruppe sagte beschwichtigend: «Wahrscheinlich kann er dafür etwas anderes besonders gut.»

Was sollte ich denn da sagen? Etwa: «Er macht in seinem Jurastudium schöne Fortschritte»?

Johanna riet mir dringend, nicht nervös zu werden. «Beim zweiten Kind habe ich das Vergleichen und Spekulieren aufgegeben. Manche krabbeln mit sieben, manche mit zehn Monaten. Andere wiederum krabbeln überhaupt nicht, sondern stehen irgendwann auf und gehen los. Einige sehen mit einem halben Jahr aus wie kleine, dicke, verwarzte Kröten und tragen achtzehn Jahre später einen Lackledermini von Prada auf dem Cover der amerikanischen ‹Vogue›. Mein jüngster Sohn sagte bis zu seinem zweiten Lebensjahr nur ein Wort, und zwar Kaka. Mittlerweile ist er fast sechs und belästigt mich nahezu rund um die Uhr mit seinem riesenhaften Wortschatz. Also, reg dich ab.»

«Aber die Mutter von Mia hat mich erst gestern gefragt, ob ich es normal fände, dass mein Sohn mit fast acht Monaten noch nicht mal ansatzweise krabbelt. Sie schlug vor, ich solle mal zum Physiotherapeuten gehen. Ihre Tochter würde nämlich schon die ersten Schritte machen.»

«Ich könnte kotzen, wenn ich das nur höre! Diese verdammten Mütter, die ihr Kind für den Nabel der Welt halten und das auch noch raushängen lassen, sind doch wirklich widerlich. Das sind genau die unterzuckerten Pissnelken, die ihren Kindern schon vor der Schule Lesen und Schreiben beibringen und sich dann wundern, warum die im Unterricht ständig stören. Hüte dich vor anderen Müttern. Sie sind deine schlimmsten Feindinnen!»

Sehr hilfreich war auch das Kapitel «Müsste er das nicht schon lange können?» aus dem Buch «Muttergefühle» von Rike Drust.

«Mein Sohn konnte wirklich gar nichts, was er laut Buch hätte können sollen. Zum Beispiel:

‹Es kann ein einfaches dreiteiliges Puzzle zusammensetzen.›

Er hat zwei Teile weichgespeichelt. Das dritte ist verschwunden.

‹Es findet selbst ein Objekt, das er als Laufhilfe benutzt.›

Er zieht sich am Wohnzimmertisch hoch, schwankt ein bisschen und fällt wieder um.

‹Es stellt sich auf den Kopf, ehe es mit Ihrer Hilfe einen Purzelbaum schlägt.›

Er krabbelt und hält manchmal an, um an einer Teppichfranse zu lutschen.

‹Wenn Sie fragen: Wo ist deine Nase?, zeigt es auf seine Nase.›

Er schaut orientierungslos im Raum herum, will auf seinen Vater zeigen und sticht sich dabei ins Auge.

‹Es bürstet seine Haare.›

Er hat keine Haare. Aber er haut sich mit der Bürste.

‹Es pustet sein Essen kalt, bevor es einen Bissen nimmt.›

Er versucht, sein Essen zu kühlen, indem er es durch die Luft wirft. Danach schreit er, weil er Hunger hat.»

Ich bin jetzt genauso entspannt wie mein Sohn, blicke buddhistisch auf das wuselige Treiben in der Babygruppe um ihn herum und streiche ihm milde und stolz lächelnd über die Thomas-Gottschalk-Frisur.

«Keine Vergleiche», lautet von nun an die Devise, an die ich mich halte. Fast immer.

Weil, mir ist jetzt etwas sehr Beruhigendes aufgefallen, und ich werde nicht müde, die anderen Mütter dezent darauf hinzuweisen: Mein Sohn hat unendlich schöne und lange Wimpern! Und die sind viel länger als die der anderen Kinder!

Von mir hat er die allerdings nicht.

«Das Beste ist, wenn Kinder mit echten Menschen

aufwachsen und nicht mit Schauspielern, die immerzu

ihre Elternrolle aufführen.

Wer dauernd pädagogisch handelt, zieht den Nachwuchs

zu Gefühlskälte heran.»

JESPER JUUL

10. Dezember

Schon wieder tue ich etwas, was ich nie tun wollte: Ich verschicke Weihnachtskarten mit meinem Kind drauf.

Ich möchte ganz einfach die Zeit ausnutzen, solange sich Schlomenberger noch nicht wehren kann, dass ich ihn nach Herzenslust verunstalte und dekoriere.

Also habe ich ihm bei «H&M» einen Weihnachtsanzug inklusive Weihnachtsmann-Zipfelmütze gekauft, ihn auf unser Sofa zwischen einen Stoff-Elch und einen Weihnachtsengel gesetzt und so lange fotografiert, bis ein Bild gelungen war, auf dem alle drei einigermaßen gut aussahen.

Versehen habe ich das Ganze selbstverständlich mit einem selbstironischen Text, in dem ich mich über mich selbst lustig mache und mein Kind bedauere.

Aber macht es das wirklich besser?

Was bleibt, ist ein Fotobeweis, mit dem mein Sohn später einmal alle Schuld auf mich schieben kann. Egal, ob er faul, ungehorsam, internetsüchtig oder ein ekelhafter Streber wird, er wird immer behaupten können, es habe am frühkindlichen Zipfelmützen-Trauma gelegen.

Egal. Mütter sind eben auch nur Menschen. Ich kann einfach nicht anders.

Nicht auszudenken, hätte ich ein Mädchen bekommen. All die Feen- und Prinzessinnen-Outfits, ich hätte es niemals geschafft, sie links liegenzulassen.

Ich hätte eine «Lillifee»-Selbsthilfegruppe besuchen und eine Schuldenberatung in Anspruch nehmen müssen, und aus meiner Tochter wäre womöglich eine Art Paris Hilton des Hamburger Mittelstands geworden, eine rosafarbene Witzfigur mit schwerer Shoppingneurose und null Ambition in Sachen Gleichberechtigung.

Es ist also doch alles gut so, wie es ist.

Dennoch werfe ich sehnsüchtige und neidvolle Blicke in die Mädchenabteilungen, wo die Mütter sich beladen mit Tüll-, Samt- und Blümchenstoffen und mit entzückenden «Hello Kitty»-Haarspängchen für nahezu haarlose Einjährige.

Mein Sohn ist leider jetzt schon aus dem Alter raus, wo er hellblau gestreifte Strampler, Mützchen mit Öhrchen dran und pastellfarbene Bärchenpullis tragen könnte. Dazu ist er, nun ja, zu massiv.

Am besten sieht er aus, wenn ich ihn anziehe wie einen Mann in den besten Jahren: dunkelblaue Pullunder, braune Kordhosen und Strickjacken mit Lederflicken an den Ellenbogen.

Irgendwie ist mein Schlominsky kein Baby mehr, und ich habe tatsächlich vor einer Woche zum

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