Sakrileg – The Da Vinci Code - Kapitel 36
des Vatikans. Die beiden anderen waren hochrangige italienische Kardinäle.
Aringarosa schritt durch die Bibliothek auf die drei Männer zu. »Liebe Brüder, ich bitte demütigst um Verzeihung, dass Sie sich meinetwegen zu dieser späten Stunde bemühen müssen. Wir leben leider in unterschiedlichen Zeitzonen. Sie sind gewiss sehr müde …«
»Aber keineswegs!«, sagte der Generalsekretär und faltete die Hände über seinem ansehnlichen Bauch. »Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet, dass Sie den weiten Weg nicht gescheut haben. Das Mindeste, das wir Ihnen zum Empfang schulden, ist Aufmerksamkeit. Dürfen wir Ihnen Kaffee oder sonst eine Erfrischung anbieten?«
»Ich würde es vorziehen, gleich zum Geschäftlichen zu kommen. Ich möchte meinen nächsten Flug nicht verpassen. Dies hier ist schließlich kein geselliges Beisammensein.«
»Selbstverständlich«, sagte der Sekretär. »Sie sind schneller in Aktion getreten, als von uns erwartet.«
»Bin ich das?«
»Sie haben noch einen ganzen Monat Zeit.«
»Ihre Bedenken haben Sie mir bereits vor fünf Monaten dargelegt«, sagte Aringarosa. »Weshalb also sollte ich Zeit vergeuden?«
»Ja, weshalb? Wir sind sehr angetan davon, wie zügig Sie zu Werke gehen.«
Aringarosas Blick glitt über den Tisch zu einem stattlichen schwarzen Diplomatenköfferchen. »Ist es das, worum ich gebeten habe?«
»Gewiss.« Die Stimme des Sekretärs klang plötzlich besorgt. »Doch wir möchten Ihnen nicht verhehlen, lieber Mitbruder, dass Ihre Bitte uns Anlass zu gewisser Unruhe gibt. Sie erscheint uns ziemlich …«
»Gefährlich«, vollendete einer der Kardinäle den Satz. »Sind Sie sicher, dass wir Ihnen den Betrag nicht doch lieber auf ein Konto überweisen sollten? Die Summe ist exorbitant.«
Freiheit ist nun mal teuer. »Was meine Sicherheit angeht, hege ich keine Bedenken. Gott ist mit mir.«
Die drei Männer setzten skeptische Mienen auf.
»Entsprechen die Papiere meinen Vorgaben?«
Der Sekretär nickte. »Hoch notierte Inhaberobligationen der Vatikanbank, die auf der ganzen Welt in Bargeld umtauschbar sind.«
Aringarosa begab sich zum Ende des Tisches und öffnete das Köfferchen. Zwei dicke Packen Obligationen lagen darin, jede mit dem Wappen des Vatikans und der Aufschrift PORTATORE versehen. Wer diese Papiere bei einer Bank vorlegte, konnte sie überall und jederzeit gegen Bargeld einlösen.
Der Sekretär blickte nervös drein. »Ich muss jedoch sagen, lieber Mitbruder, dass uns allen wohler wäre, wenn Sie den Betrag in Bargeld annähmen.«
So viel Bargeld kann kein Mensch tragen, mein lieber Freund, dachte Aringarosa und klappte den Koffer zu. »Diese Papiere sind doch so gut wie Bargeld. Haben Sie das nicht eben selbst hervorgehoben?«
Die Kardinäle tauschten unbehagliche Blicke. »Durchaus«, ergriff schließlich einer das Wort, »aber man kann sie bis zur Vatikanbank zurückverfolgen.«
Aringarosa lächelte in sich hinein. Aus genau diesem Grund hatte der Lehrer vorgeschlagen, das Geld in Form von Inhaberobligationen zu transferieren, als Rückversicherung sozusagen. Jetzt sitzen wir alle im gleichen Boot. »Ist das denn nicht eine vollkommen legale Transaktion?«, wandte Aringarosa ein. »Opus Dei ist eine Personalprälatur des Papstes. Seine Heiligkeit kann Zuwendungen machen, wie es ihm beliebt. Wie könnte das gesetzeswidrig sein?«
»Das ist ja alles richtig, aber dennoch …« Der Sekretär beugte sich vor. Der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht. »Leider ist es gänzlich unserer Kontrolle entzogen, was Sie mit diesen Papieren zu tun beabsichtigen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Ihre Absichten sich ein wenig abseits der Legalität bewegen sollten …«
»Verehrte Mitbrüder, in Anbetracht dessen, was Sie von mir zu tun verlangen, dürfen Sie von mir keine Rechenschaft über die Verwendung des Geldes erwarten!«
Stille breitete sich aus.
Sie wissen, dass du Recht hast, dachte Aringarosa. »Irre ich mich, oder hätten Sie gern eine Unterschrift von mir?«
Alle drei sprangen auf. Eilig wurde ein Papier über den Tisch geschoben, als wäre man froh, den Besucher endlich loszuwerden.
Aringarosa betrachtete das Dokument. Es trug das päpstliche Wappen. »Dieses Papier ist doch identisch mit dem Entwurf, den Sie mir zugeschickt haben?«
»Selbstverständlich.«
Aringarosa unterzeichnete das Dokument, überrascht, wie gelassen er sich dabei fühlte, angesichts der unermesslichen Bedeutung. Die drei Männer am Tisch schienen erleichtert aufzuatmen.
»Lieber Mitbruder, wir danken Ihnen«, sagte der Sekretär. »Den Dienst, den Sie unserer Kirche erwiesen haben, wird man Ihnen nie vergessen.«
Aringarosa nahm das Köfferchen vom Tisch. Das Gewicht in seiner Hand vermittelte ihm ein erhebendes Vorgefühl der Macht. Die vier Männer sahen sich einen Augenblick lang an, als hätten sie sich noch etwas zu sagen, was aber offensichtlich nicht der Fall war. Aringarosa drehte sich um und ging zur Tür. Als er auf der Schwelle stand, rief ihn einer der Kardinäle an.
Aringarosa hielt noch einmal inne. »Ja?«
»Wohin führt Sie nun der Weg, Bruder?«
Aringarosa spürte, dass die Frage auf seine spirituellen Ziele anspielte, doch er hatte wenig Lust, sich zu dieser Stunde auf eine Moraldiskussion einzulassen.
»Nach Paris, verehrter Mitbruder«, sagte er und ging hinaus.
42. KAPITEL
Die Zürcher Depositenbank war eine Art Geldschrank, der rund um die Uhr zugänglich war. Das Institut bot das vollständige Repertoire moderner anonymer Finanzdienstleistungen in der Tradition der Schweizer Nummernkonten und unterhielt neben dem Zürcher Stammhaus Zweigstellen in Kuala Lumpur, New York und Paris. In jüngerer Zeit hatte das Haus im Rahmen der digitalisierten Dienstleistungen seinen Service um anonyme, datenbankgestützte Treuhändergeschäfte erweitert.
Das Hauptgeschäft aber war nach wie vor das älteste und schlichteste Angebotssegment, das Depot, ein anonym zugänglicher Schließfachservice. Hier konnte der Kunde vom Aktienpaket bis zum alten holländischen Meister seine Besitztümer in Verwahrung geben, ohne seinen Namen zu nennen. Ein System verschiedener High-Tech-Einrichtungen zur Wahrung völliger Anonymität ließ das Verwahrgut zu jeder gewünschten Stunde spurlos von der Bildfläche verschwinden.
Nachdem Sophie das Taxi zum Stehen gebracht hatte und Langdon die nüchterne, ja kühle Architektur des Gebäudes betrachtete, beschlich ihn das ungute Gefühl, in der Zürcher Depositenbank ein Unternehmen mit wenig Sinn für Humor vor sich zu haben. Das Gebäude war ein fensterloser rechteckiger Metallwürfel und schien nahtlos aus einem Stück matten Edelstahls geschmiedet zu sein. Der gewaltige Stahlbarren befand sich ein Stück von der Straße zurückgesetzt. Über der ehernen Fassade glühte rot ein knapp fünf Meter hohes, gleicharmiges Neonkreuz.
Die Schweiz hatte ihre anerkannt strenge Wahrung des Bankgeheimnisses zu einem der gewinnträchtigsten Exportartikel des Landes gemacht. Einrichtungen wie diese waren in der Welt der Kunst sehr umstritten, boten sie doch Kunstdieben auf Jahre hinaus ein ideales Versteck, in dem sie die Beute verschwinden lassen konnten, bis Gras über die Sache gewachsen war. Da der Inhalt der Schließfächer durch eine entsprechende Gesetzgebung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte polizeilichen Nachforschungen nicht zugänglich und der Inhaber ähnlich wie bei einem Nummernkonto namentlich nicht bekannt war, konnten Kunstdiebe sich beruhigt zurücklehnen in der Gewissheit, dass ihre Beute sicher aufgehoben und die Fährte nicht bis zu ihnen zurückzuverfolgen war.
Sophie war vor dem imposanten Tor stehen geblieben. Es versperrte die Zufahrt zum Bankgebäude – eine betonierte Rampe, die ins Untergeschoss führte. Eine Videokamera hatte sie ins Visier genommen. Langdon hatte das beklemmende Gefühl, dass diese Kamera – ganz im Gegensatz zu denen im Louvre – sehr echt war.
Sophie ließ die Seitenscheibe herunter und nahm das elektronische Paneel auf der Fahrerseite in Augenschein. Ein LCD-Display blinkte ihr in sieben Sprachen die Bedienungsanweisung zu, ganz oben auf der Liste in Englisch:
INSERT KEY
Sophie holte den goldenen Schlüssel mit den Lasermarkierungen hervor und betrachtete erneut das Paneel. Unter dem Display befand sich eine dreieckige Öffnung.
»Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Schlüssel passen müsste«, sagte Langdon.
Sophie führte den dreieckigen Schlüsselschaft in die Öffnung ein, bis er ganz darin verschwunden war. Man brauchte den Schlüssel offensichtlich nicht zu drehen, denn das Tor schwang unverzüglich auf. Sophie nahm den Schlüssel wieder an sich, löste die Bremse und ließ den Wagen zu einem zweiten Tor mit einem zweiten Kontrollpaneel hinunterrollen. Das erste Tor schloss sich hinter ihnen. Sie waren wie ein Schiff in einer Schleuse gefangen.
Das Gefühl, nicht mehr vor- und zurückzukönnen, war für Langdon beklemmend und unangenehm. Dann wollen wir nur hoffen, dass das zweite Tor auch so schön funktioniert …
Auf dem zweiten Paneel war die gleiche Aufforderung zu lesen.
INSERT KEY
Auch hier führte Sophie den Schlüssel ein, worauf sich das zweite Tor unverzüglich öffnete und ihnen den Weg hinunter in die Eingeweide des Gebäudes freigab.
Sie gelangten in eine kleine, nur notdürftig beleuchtete Tiefgarage mit Platz für ungefähr ein Dutzend Fahrzeuge. Auf der gegenüberliegenden Seite erspähte Langdon den Haupteingang. Ein roter Teppich war auf dem Betonboden ausgerollt und komplimentierte den Besucher zu einer riesigen Tür, die aus einem einzigen Stück Gussstahl gefertigt zu sein schien.
So viel zu Botschaften, die zwei Lesarten erlauben, dachte Langdon: Sei willkommen – aber bleib gefälligst draußen.
Sophie lenkte das Taxi auf eine Parkfläche neben dem Eingang und stellte den Motor ab. »Die Pistole sollten Sie lieber hier lassen.«
Mit dem größten Vergnügen. Langdon ließ das Schießeisen eiligst unter dem Sitz verschwinden.
Sie stiegen aus und gingen auf dem roten Teppich die wenigen Schritte bis zur stählernen Türplatte, die keine Klinke besaß; doch daneben an der Wand befand sich ein weiteres dreieckiges Schlüsselloch, diesmal jedoch ohne Bedienungsanleitung.
»Damit hier keine Dummköpfe reinkommen«, meinte Langdon.
Sophie lachte nervös auf. »Dann mal los«, sagte sie und steckte den Schlüssel ins Loch. Summend schwang die Stahlplatte nach innen. Sie blickten einander an und traten ein. Mit einem satten Geräusch fiel hinter ihnen die Tür ins Schloss.
Das Foyer der Pariser Zweigstelle der Zürcher Depositenbank brauchte sich hinsichtlich des eindrucksvollen Dekors hinter keiner anderen Bank der Welt zu verstecken. Wo die meisten Banken sich mit poliertem Marmor und Granit begnügten, schwelgte dieses Institut in Rundum-Edelstahl mit dekorativen Applikationen aus verchromten Nieten.
Wer war denn hier der Innenarchitekt?, fragte sich Langdon. Die lothringischen Stahlwerke?
Sophies Blick wirkte nicht weniger eingeschüchtert, als sie sich im stählernen Empfangsbereich umsah.
Der silbergraue Stahl war allgegenwärtig – Boden, Wände, Decken, Türen, der Empfang, selbst das Gerippe der Sitzgruppe bestanden aus Stahl. Gleichwohl war die Wirkung eindrucksvoll und die Botschaft unmissverständlich: Das ist ein bombensicheres Gewölbe.
Hinter dem Empfang wartete ein groß gewachsener Mann. Als sie näher traten, blickte er auf und schaltete den kleinen Fernseher aus, dem seine