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Nachtzug nach Lissabon - Teil 73

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tun, aber es hat mir nicht gefallen, daß

Amadeus Begeisterung für ihn so ohne alle Kritik war. Ich war ein Bauernmädchen, ich wußte, wie Bauernjungs sind. Kein Grund zur Romantik. Wenn es hart auf hart ginge, würde Jorge zuerst an sich selbst denken.

Was ihn an O’Kelly faszinierte und geradezu in einen Rausch versetzen konnte: daß er keine Schwierigkeiten kannte, sich gegen andere abzugrenzen. Er sagte einfach nein und grinste über seine große Nase hinweg. Amadeu dagegen kämpfte um seine Grenzen wie um seine Seligkeit.«

Gregorius erzählte vom Brief an den Vater und dem Satz: Die Anderen sind dein Gerichtshof.

»Ja, genau das war es. Es hat ihn zu einem zutiefst unsicheren Menschen gemacht, zu dem dünnhäutigsten Menschen, den man sich vorstellen kann. Er hatte dieses überwältigende Bedürfnis nach Vertrauen und danach, angenommen zu werden. Er meinte, diese Unsicherheit verbergen zu müssen, und manches, was wie Mut aussah und wie Kühnheit, war einfach eine Flucht nach vorn. Er hat unendlich viel von sich verlangt, viel zuviel, und darüber ist er selbstgerecht und scharfrichterlich geworden.

Alle, die ihn näher kannten, sprachen von dem Gefühl, ihm und seinen Erwartungen nie zu genügen, immer dahinter zurückzubleiben. Daß er wenig von sich selbst hielt, machte alles noch schlimmer. So konnte man sich nicht einmal mit dem Vorwurf der Selbstgefälligkeit zur Wehr setzen.

Wie unduldsam etwa war er Kitsch gegenüber! Vor allem bei Worten und Gesten. Und was für eine Angst hatte er vor dem eigenen Kitsch! >Man muß sich doch auch in seinem Kitsch annehmen können, um frei zu werden<, sagte ich. Dann atmete er eine Weile ruhiger, freier. Er hatte ein phänomenales Gedächtnis. Doch solche Dinge vergaß er schnell, und dann nahm ihn wieder der gepreßte Atem in seinen eisernen, unbarmherzigen Griff.Er hat gegen den Gerichtshof gekämpft. Mein Gott, hat er gekämpft! Und er hat verloren. Ja, ich glaube, man muß sagen: Er hat verloren.In ruhigen Zeiten, wo er einfach die Praxis machte und die Leute ihm dankbar waren, da sah es manchmal aus, als hätte er es geschafft. Doch dann passierte die Geschichte mit Mendes. Der Speichel auf dem Gesicht verfolgte ihn, bis zuletzt träumte er immer wieder davon. Eine Hinrichtung.Ich war dagegen, daß er in den Widerstand ging. Er war nicht der Mann dafür, hatte nicht die Nerven, wenngleich den Verstand. Und ich sah nicht, daß er etwas gutzumachen hatte. Aber es war nichts zu machen. Wenn es um die Seele geht, gibt es weniges, was wir in der Hand haben, sagte er, ich habe Ihnen von diesen Worten bereits erzählt.Und Jorge war eben auch im Widerstand. Jorge, den er auf diese Weise schließlich verloren hat. Zusammengesunken brütete er in meiner Küche darüber und sprach kein Wort.«Sie gingen die Treppe hinauf, und Gregorius zeigte ihr die Schulbank, auf die er Prado in Gedanken gesetzt hatte. Es war das falsche Stockwerk, aber sonst fast richtig. Maria Joao stand am Fenster und blickte hinüber zu ihrem Platz in der Mädchenschule.»Der Gerichtshof der Anderen. So hat er es auch erlebt, als er Adriana den Hals aufschnitt. Die anderen saßen am Tisch und sahen ihn an wie ein Monster. Dabei hat er das einzig Richtige getan. In meiner Zeit in Paris besuchte ich einen Kurs in Notfallmedizin, da haben sie es uns gezeigt. Koniotomie. Man muß das ligamen conicum querspalten und die Luftröhre dann mit einer Trachealkanüle offenhalten. Sonst stirbt der Patient den Bolustod. Ich weiß nicht, ob ich es könnte und ob ich an einen Kugelschreiber als Ersatz für die Kanüle gedacht hätte. >Wenn Sie hier anfangen wollen …<, sagten die Ärzte zu ihm, die Adriana nachher operierten.Für Adrianas Leben hatte es verheerende Folgen. Wenn man jemandem das Leben gerettet hat: Gerade dann müßte man einen schnellen, leichten Abschied haben. Eine Lebensrettung ist für den anderen und durch den anderen hindurch für einen selbst eine Last, die niemand tragen kann. Deshalb müßte man sie behandeln wie einen Glücksfall der Natur, wie eine Spontanheilung etwa. Etwas Unpersönliches.Amadeu trug schwer an Adrianas Dankbarkeit, die etwas Religiöses hatte, etwas Fanatisches. Manchmal ekelte ihn davor, sie konnte servil sein wie eine Sklavin. Aber da war ihre unglückliche Liebe, die Abtreibung, die Gefahr der Vereinsamung. Manchmal habe ich mir einzureden versucht, daß er mich Adrianas wegen nicht in die Praxis holte. Aber es ist nicht die Wahrheit.Mit Mélodie, seiner Schwester Rita, war es ganz anders, leicht und unbeschwert. Er hatte ein Foto, auf dem er eine der Ballonmützen ihres Mädchenorchesters trug. Er beneidete sie um ihren Mut zur Unstetigkeit. Er gönnte es ihr, daß sie als der ungeplante Nachzügler die seelische Last der Eltern viel weniger zu spüren bekam als die älteren Geschwister. Aber er konnte auch wütend sein, wenn er daran dachte, wieviel leichter sein Leben als Sohn hätte sein können.Ich war nur ein einziges Mal bei ihm zu Hause. Es war während der Schulzeit. Die Einladung war ein Fehler. Sie waren nett zu mir, aber alle spürten wir, daß ich da nicht hingehörte, nicht in ein reiches, adliges Haus. Amadeu war unglücklich über den Nachmittag.>Ich hoffe …<, sagte er, >ich kann nicht …<>Es ist doch nicht wichtig<, sagte ich.Viel später traf ich mich einmal mit dem Richter, er hatte darum gebeten. Er spürte, daß Amadeu ihm seine Tätigkeit unter einer Regierung, die Tarrafal auf dem Gewissen hatte, übelnahm. Er verachtet mich, mein eigener Sohn verachtet mich, brach es aus ihm heraus. Und dann erzählte er von seinen Schmerzen und wie der Beruf ihm helfe weiterzuleben. Er warf Amadeu mangelndes Einfühlungsvermögen vor. Ich erzählte ihm, was Amadeu mir gesagt hatte: Ich will ihn nicht wie einen Kranken sehen, dem man alles vergibt. Es wäre dann, als hätte ich keinen Vater mehr.Was ich ihm nicht erzählte: wie unglücklich Amadeu in Coimbra war. Weil er Zweifel an seiner Zukunft als Arzt hatte. Weil er nicht sicher war, ob er nicht vielleicht nur dem Wunsch des Vaters folgte und sich in seinem eigenen Willen verpaßte.Er stahl im ältesten Warenhaus der Stadt, wurde beinahe geschnappt und erlitt danach einen Nervenzusammenbruch. Ich besuchte ihn.>Kennst du den Grund?< fragte ich. Er nickte.Erklärt hat er es mir nie. Aber ich denke, es hatte mit Vater, Gericht und Verurteilung zu tun. Eine Art hilflose, verschlüsselte Revolte. Auf dem Krankenhausflur traf ich O’Kelly.>Wenn er wenigstens was wirklich Wertvolles geklaut hätte !< sagte er nur. >Dieser Schrott! Ich weiß nicht, wie er es aushält<, sagte er. >Nicht nur die Schmerzen. Die Demütigung!Ja<, sagte er >ja. Das ist es ja.

Niemand würde es glauben.< Er gab ihr die Schuld an so vielem, daß es eigentlich nicht stimmen konnte. Die mißlingende Abgrenzung; die Arbeitswut; die Überforderung durch sich selbst; die Unfähigkeit zu tanzen und zu spielen. Alles sollte mit ihr und ihrer sanften Diktatur zu tun haben. Doch mit ihm reden konnte man darüber nicht. >Ich will nicht reden, ich will wütend sein! Einfach nur wütend sein! Furioso! Rai-voso!<«Die Dämmerung hatte eingesetzt, Maria Joao fuhr mit Licht.»Kennen Sie Coimbra?« fragte sie.Gregorius schüttelte den Kopf.»Er liebte die Biblioteca Joanina in der Universität. Es verging keine Woche, ohne daß er dort war. Und die Sala Grande dos Actos, wo er sein Zeugnis entgegen nah m. Er ist auch später immer wieder hingefahren, um die Räume zu sehen.«Als Gregorius ausstieg, wurde ihm schwindlig, und er mußte sich am Wagendach festhalten. Maria Joao kniff die Augen zusammen.>Haben Sie das öfer?Sie sollten es nicht auf die leichte Schulter nehmen<, sagte sie. >Kennen Sie hier einen Neurologen?

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