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Nachtzug nach Lissabon - Teil 59

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Begehrens gestemmt und seine hungrigen Augen abgewandt, wenn er das Mädchen sah. Er wollte Jorge weiterhin in die Augen sehen können, er wollte nicht, daß eine vierzigjährige Freundschaft wegen eines Tagtraums in die Brüche ging, mochte er noch so versengend sein.

Und jetzt wollte ihm Jorge das Mädchen wegnehmen, das ihm nie gehört hatte. Wollte das labile innere Gleichgewicht zerstören, das es zwischen Loyalität und verleugneter Hoffnung gegeben hatte. Das war zuviel.

Ich redete mit O’Kelly. Er leugnete, etwas von dieser Art gesagt oder auch nur angedeutet zu haben. Er hatte rote Flecke im unrasierten Gesicht, und es war schwer zu sagen, ob sie mehr mit Estefänia oder mit Amadeu zu tun hatten.

Er log. Ich wußte es, und er wußte, daß ich es wußte.

Er hatte angefangen zu trinken, er spürte, daß ihm Estefänia. entglitt, mit oder ohne Amadeu, und er hielt es nicht aus.

>Wir können sie außer Landes bringen<, sagte ich.>Sie schnappen sie<, sagte er, >der Professor ist gutwillig, aber nicht stark genug, sie knacken ihn, dann wissen sie, daß alles hinter ihrer Stirn ist, und dann jagen sie sie, sie bieten alles auf, was sie haben, das ist einfach zu wichtig, stell dir vor, das ganze Lissaboner Netz, niemand von denen tut noch ein Auge zu, bis sie sie haben, und sie sind eine Armee.<«Die Pflegerinnen hatten wegen des Essens an die Tür geklopft und gerufen, Ega hatte sie ignoriert und weitergeredet. Es war dunkel im Zimmer, und Egas Stimme klang für Gregorius wie aus einer anderen Welt.»Was ich jetzt sage, wird Sie schockieren: Ich verstand O’Kelly. Ich verstand sowohl ihn als auch seine Argumente, denn das waren zwei verschiedene Dinge. Wenn sie ihr etwas spritzten und ihr Gedächtnis knackten, waren wir alle dran, etwa zweihundert Leute, und es würde ein Vielfaches, wenn sie sich noch jeden einzeln vornahmen. Es war nicht auszudenken. Man brauchte sich nur einen Teil davon auszumalen, und schon dachte man: Sie muß weg.In diesem Sinne verstand ich O’Kelly. Ich glaube auch heute noch: Es wäre ein vertretbarer Mord gewesen. Wer das Gegenteil sagt, macht es sich zu einfach. Mangelnde Phantasie, würde ich sagen. Der Wunsch nach sauberen Händen als oberstes Prinzip. Finde ich abstoßend.Ich meine, Amadeu konnte in dieser Sache nicht klar denken, er sah ihre leuchtenden Augen vor sich, den ungewöhnlichen, fast asiatischen Teint, das ansteckende, mitreißende Lachen, den wiegenden Gang, und er wollte einfach nicht, daß das alles erlosch, er konnte es nicht wollen, und ich bin froh, daß er es nicht konnte, denn alles andere hätte ihn zu einem Monster gemacht, einem Monster an Selbstverleugnung.O’Kelly dagegen — ich hatte ihn im Verdacht, daß er darin auch eine Erlösung sah, eine Erlösung von der Qual, sie nicht mehr halten zu können und zu wissen, daß die Leidenschaft sie zu Amadeu hinzog. Und auch darin verstand ich ihn, aber in ganz anderem Sinne, nämlich ohne Billigung. Ich verstand ihn, weil ich mich in seinem Gefühl wiedererkannte. Es war lange her, aber auch ich hatte eine Frau an einen anderen verloren, und auch sie hatte Musik in mein Leben gebracht, nicht Bach wie bei O’Kelly, sondern Schubert. Ich wußte, was es hieß, von einer solchen Erlösung zu träumen, und ich wußte, wie sehr man nach einem Vorwand suchen kann für einen solchen Plan.Und genau deshalb fiel ich O’Kelly in den Arm. Ich holte das Mädchen aus dem Versteck und brachte es in die blaue Praxis. Adriana haßte mich dafür, aber sie haßte mich schon vorher, ich war für sie der Mann, der ihr den Bruder in den Widerstand entführt hatte.Ich sprach mit Leuten, die sich in den Bergen an der Grenze auskannten, und instruierte Amadeu. Er blieb eine Woche weg. Als er zurückkam, wurde er krank. Estefania habe ich nie mehr gesehen.Mich haben sie kurz darauf geschnappt, aber das hatte nichts mit ihr zu tun. Sie soll auf Amadeus Beerdigung gewesen sein. Viel später hörte ich, daß sie in Salamanca arbeitete, als Dozentin für Geschichte.Mit O’Kelly habe ich zehn Jahre lang kein Wort geredet. Heute geht es wieder, aber wir suchen uns nicht. Er weiß, was ich damals dachte, das macht es nicht einfacher.«Ega zog heftig an der Zigarette, die Glut fraß sich dem Papier entlang, das in der Finsternis hell schimmerte. Er hustete.»Jedesmal, wenn mich Amadeu im Knast besuchte, war ich versucht, ihn nach O’Kelly zu fragen, nach ihrer Freundschaft. Ich habe mich nicht getraut. Amadeu drohte nie jemandem, das gehörte zu seinem Credo. Aber er konnte, ohne es zu wissen, eine Drohung sein. Die Drohung, vor den Augen des anderen zu zerspringen. Jorge konnte ich natürlich auch nicht fragen. Vielleicht heute, nach über dreißig Jahren, ich weiß nicht. Kann eine Freundschaft so etwas überleben?Als ich rauskam, forschte ich nach dem Professor. Seit dem Tag der Verhaftung hatte niemand mehr etwas von ihm gehört. Diese Schweine. Tarrafal. Haben Sie schon mal was von Tarrafal gehört? Ich hatte damit gerechnet, daß ich dahin käme. Salazar war senil, und die P.I.D.E. machte, was sie wollte. Ich glaube, es war Zufall, daß es nicht dazu kam, der Zufall ist der Bruder der Willkür. Für diesen Fall hatte ich mir vorgenommen, mit dem Kopf gegen die Zellenwand zu rennen, bis der Schädel bräche.«Sie schwiegen. Gregorius wußte nicht, was er hätte sagen können.Schließlich stand Ega auf und machte Licht. Er rieb sich die Augen und machte den Eröffnungszug, den er immer machte. Sie spielten bis zum vierten Zug, dann schob Ega das Brett zur Seite. Die beiden Männer standen auf. Ega nahm die Hände aus den Taschen der Strickjacke. Sie traten aufeinander zu und umarmten sich. Egas Körper erzitterte. Ein rauher Laut von animalischer Kraft und Hilflosigkeit kam aus seiner Kehle. Dann erschlaffte er und hielt sich an Gregorius fest. Gregorius fuhr ihm über den Kopf. Als er die Tür leise aufschloß, stand Ega am Fenster und sah in die Nacht hinaus.32 Greg orius stand im Salon von Silveiras Haus und betrachtete eine Reihe von Fotografien, Schnappschüssen eines großen Fests. Die meisten Herren trugen Cuts, die Damen lange Abendkleider, deren Schleppen über das glänzende Parkett wischten. Jose Antonio da Silveira war auch zu sehen, viele Jahre jünger, in Begleitung seiner Frau, einer üppigen Blondine, die Gregorius an Anita Ekberg in der Fontana di Trevi erinnerte. Die Kinder, vielleicht sieben oder acht, jagten sich unter einem der endlosen Tische mit dem Büffet. Über einem der Tische das Familienwappen, ein silberner Bär mit roter Schärpe. Auf einem anderen Bild saßen sie alle in einem Salon und hörten einer jungen Frau am Flügel zu, einer alabasternen Schönheit, die der namenlosen Portugiesin auf der Kirchenfeldbrücke auf entfernte Weise ähnlich sah.Gregorius hatte nach der Ankunft in der Villa lange auf dem Bett gesessen und gewartet, bis die Erschütterung über den Abschied von Joao Ega verebbt war. Der rauhe Laut aus seiner Kehle, ein trockenes Schluchzen, ein Hilferuf, eine Erinnerung an die Folter, alles zusammen — er würde nie mehr aus seinem Gedächtnis weichen. Er wünschte, er könnte so viel heißen Tee in sich hineingießen, daß der Schmerz in Egas Brust weggespült würde.Langsam dann waren ihm die Einzelheiten der Geschichte über Estefania Espinhosa wieder in den Sinn gekommen. Sa-lamanca, sie war Dozentin in Salamanca geworden. Das Bahnhofsschild mit dem mittelalterlich dunklen Namen tauchte vor ihm auf. Dann verschwand das Schild, und er dachte an die Szene, die Pater Bartolomeu geschildert hatte: wie O’Kelly und die Frau, ohne sich anzusehen, aufeinander zugegangen waren und dann an Prados Grab gestanden hatten. Daß sie es vermieden hatten, sich anzubiicken, schuf eine größere Nähe zwischen ihnen, als jede Verschränkung von Blicken es vermocht hätte.Schließlich hatte Gregorius den Koffer ausgepackt und die Bücher aufs Regal gestellt. Es war sehr still im Haus. Julieta, das Mädchen, war gegangen und hatte ihm eine Notiz auf den Küchentisch gelegt, wo das Essen zu finden sei. Gregorius war noch nie in einem Haus wie diesem gewesen, und es kam ihm alles verboten vor, sogar das Geräusch seiner Schritte. Schalter für Schalter hatte er Licht gemacht. Das Eßzimmer, wo sie zusammen gegessen hatten. Das Bad. Auch in Silveiras Arbeitszimmer hatte er einen kurzen Blick geworfen, nur um die Tür gleich wieder zu schließen.Und jetzt stand er im Salon, wo sie den Kaffee getrunken hatten, und sagte das Wort nobreza in den Raum hinein, es gefiel ihm, es gefiel ihm unheimlich gut, und er wiederholte es stets von neuem. Auch Adel, das kam ihm jetzt zu Bewußtsein, hatte ihm stets gefallen, es war ein Wort, in das die Sache hineinfloß, oder umgekehrt. De l’Arronge — der Mädchenname von Florence hatte ihn nie an Adel denken lassen, und sie machte sich auch nichts daraus. Lucien von Graffenried: Das war anders, alter Berner Adel, er dachte dabei an edle, makellose Strukturen aus Sandstein, an die Biegung der Gerechtigkeitsgasse und daran, daß es einen von Graffenried gegeben hatte, der in Beirut eine unklare Rolle gespielt hatte.Und natürlich Eva von Muralt, die Unglaubliche. Es war nur ein Schülerfest gewesen, in keiner Weise vergleichbar mitSilveiras Fotos, und doch hatte er in den hohen Räumen vor Aufregung geschwitzt. »Unglaublich!« hatte Eva gesagt, als ein Junge sie fragte, ob man einen adligen Titel kaufen könne. »Unglaublich!« hatte sie auch ausgerufen, als Gregorius am Schluß Geschirr spülen wollte.Silveiras Plattensammlung machte einen verstaubten Eindruck. Als sei die Periode in seinem Leben, wo Musik eine Rolle gespielt hatte, lange vorbei. Gregorius fand Berlioz, Les Nuits d’Ete, La Belle Voyageuse und La Mort d’Ophelie, die Musik, die Prado geliebt hatte, weil sie ihn

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