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Lea - Pascal Mercier - Teil 41

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später wurde daraus CRANEMO, doch das lag vom Klang her zu dicht an CREMONA, und so wurde es zu OANMERC.

»Warum mußte ich beim Thema bleiben, warum habe ich nicht etwas ganz Entlegenes genommen! Oder wenigstens BUIO, OIUB oder so, auf das sie unmöglich kommen konnte.«

»Was wir über Zwangshandlungen wissen«, sagte Agnetha, »ist, daß ihnen der verdeckte Wunsch zugrunde liegt, das Befürchtete möge eintreten.«

Das fand er oberschlau. Doch es blieb die Verwunderung darüber, daß er bei dem verräterischen Thema geblieben war, als klebe er daran.

Vor drei Jahren dann kam der Brief, in dem die Geldgeber eine detaillierte Abrechnung verlangten, sonst sähen sie sich außerstande, die zugesagten Gelder weiterhin fließen zu lassen. »Ich habe ihn aus Versehen aufgemacht«, sagte Ruth Adamek, als sie ihm den Brief überreichte. Er sah auf den Absender. Es war der Showdown. »Leg ihn dorthin, irgendwo«, sagte er nonchalant und ging.

Im Bahnhof stand er eine Weile auf dem Fleck, von dem aus sie Loyola de Colón zugehört hatten. Fünfzehn Jahre waren seither verflossen. Mit dem Zug fuhr er ins Oberland. Es sah nach Schnee aus, doch es fiel keiner. Auf der Rückfahrt fragte er sich, was er getan hätte. Sie war beim Maghrebiner, hinter dem Brennholz, was machte es da schon für einen Unterschied. Der Arzt hatte ihn stumm angesehen, als er fragte, ob sich Lea nach ihm erkundigt habe. Dieser schwarze, versiegelte Blick, diese ärztliche Selbstgefälligkeit. Er hätte ihm die Fresse polieren mögen.

Er meldete sich krank und ging eine Woche lang nicht ins Institut. Mochten sie alle den Brief lesen, das war jetzt auch egal.

In diesen Tagen räumte er die Wohnung auf, nahm jeden Gegenstand in die Hand. Er holte das Foto hervor, das Céciles Zimmer zeigte, bevor sie daraus la chambre de musique gemacht hatten. Die Vergangenheit, die ihm da entgegenkam, traf ihn mit unerwarteter Wucht. Zum ersten Mal fragte er sich, was Cécile über den Betrug gedacht hätte. Martijn, der romantische Zyniker! Ich dachte nicht, daß es das wirklich gibt! Und nun war er durch halb Europa gefahren, nicht zu der geliebten Frau, sondern mit der kranken Tochter neben sich. Im Motel hatten sie getan, als sei sie seine Geliebte. Als er neben ihr aufwachte, zerschlagener noch als vorher, hatte sie ruhig geatmet, doch die Lider hatten unruhig gezuckt. »Wo sind wir denn«, hatte sie gesagt, »warum hat mir die Agentur kein besseres Zimmer besorgt, sonst habe ich doch eine Suite.«

Leas Zimmer war das letzte, das er aufräumte. Er hatte es gemieden. Jetzt nahm er auch hier alles in die Hand, wie zum letzten Mal. Schichten ihrer Lebensgeschichte. Stofftiere, die ersten Zeichnungen, Schulzeugnisse. Ein Tagebuch mit Schloß. Er fand den Schüssel. Er entschied sich dagegen, schob das Buch in der Schublade ganz nach hinten. Der Maghrebiner hatte nach so etwas gefragt. »Absolument pas«, hatte er gesagt.

LEAH LÉVY. Er warf das Notizbuch weg. Berge von Portraits, sie war in letzter Zeit viel fotografiert worden. Er setzte sich mit den Bildern an den Küchentisch. LEA VAN VLIET. Hinter der Fassade hatte es zu bröckeln begonnen, lautlos und unaufhaltsam. Er holte Bilder von früher und maß den Abstand. Das eine hatte er kurz nach Loyolas Auftritt im Bahnhof gemacht. Lea sah darauf aus, wie sie ausgesehen hatte, als sie ihn stumm durch die Stadt zog, getrieben von jenem neuen Willen, der nachher in die Frage mündete: Ist eine Geige teuer? Die meisten Bilder von Lea, der glanzvollen Geigerin, warf er weg. Er verstand nicht, warum, aber er schloß Leas Zimmer ab und tat den Schlüssel in den Küchenschrank, hinter das selten gebrauchte Geschirr.

Als er entschieden hatte, was er tun würde, bat er Caroline zu sich. Sie atmete schwer und schloß manchmal die Augen, während er erzählte. Irgend jemand würde sich um die Wohnung kümmern müssen, sagte er. Sie nickte und streichelte Nikki. »Du kommst mit mir«, sagte sie. Tränen standen ihr in den Augen. »Sie darf es nie erfahren«, sagte sie. Er nickte.

Er spürte, daß sie ihm noch etwas sagen wollte. Etwas, das sich nur Freundinnen sagen. Er hatte Angst davor.

Es habe diesen Jungen gegeben, Simon, zwei Klassen über ihr, trotz Zigaretten bester Sportler seines Jahrgangs, ein Angeber, James Dean im Westentaschenformat, aber der Schwarm vieler Mädchen.

Van Vliet spürte Panik. Ob er, der Vater, im Wege gestanden habe. Er hing an ihren Lippen.

Da nahm Caroline, die mehr als dreißig Jahre jünger war als er, seine Hand.

»Aber nein«, sagte sie, »aber nein. Doch nicht Sie. Es war ihre Unberührbarkeit, um es so zu sagen. Die Aura ihrer Begabung und ihres Erfolgs. Ob im Klassenzimmer oder in der Pause: Es gab immer diesen kühlen Lichtschein um sie herum. Ein bißchen Neid, ein bißchen Angst, ein bißchen Unverständnis, alles zusammen. Sie wußte nicht, wie sie aus diesem Lichtschein hätte hinaustreten können, hinaus zu Simon zum Beispiel. Der Schein folgte ihr wie ein Schatten. Und Simon – er sah sie nie an, sah ihr aber nach, es gab Gekicher. Aber selbst für ihn, den Hahn im Korb, war sie außer Reichweite, einfach zu weit weg. ›Weißt du‹, sagte sie, ›manchmal wünschte ich mir, der ganze Glitter und Glamour verschwände über Nacht; damit die anderen ganz normal zu mir wären, ganz normal.‹«

Van Vliet zögerte. Und Lévy? fragte er schließlich.

»Davíd – das war etwas anderes, etwas ganz anderes. Ich weiß nicht, es war der Griff nach den Sternen.«

Simon und Lévy?

»Hatten in ihr nichts miteinander zu tun. Das waren zwei Welten, würde ich sagen.«

Noch etwas wollte Van Vliet wissen, etwas, das er sich seit langem fragte.

»Erst war die Musik mit Marie verbunden, dann mit Lévy. Immer hatte sie zu tun mit … mit Liebe. Mochte Lea die Musik eigentlich auch so, ich meine: um ihrer selbst willen?«

Das hatte sich Caroline noch nie gefragt. »Das weiß ich nicht«, sagte sie, »nein, das weiß ich einfach nicht. Manchmal … nein, keine Ahnung.«

Noch einmal blickte sie vor sich hin, als wolle sie ihm etwas über Lea sagen, das er nicht wissen konnte. Doch dann sah sie ihn an und sagte etwas, das Van Vliet, denke ich, vieles erspart hat: »Ich frage Papa, ob er Ihre Verteidigung übernimmt. Gerade in solchen Fällen ist er gut, sehr gut.«

Zum Abschied umarmte er sie und hielt sie einen Moment zu lange, als sei sie Lea. Caroline wischte sich die Tränen aus den Augen, als sie hinausging.

Am nächsten Morgen ging er zur Staatsanwaltschaft.

30

VON DER UNTERSUCHUNG und dem Prozeß hat er nicht viel erzählt. Zwischen den sparsamen Sätzen warf er den Schwänen Brotkrumen zu. Ein Mann wie er auf der Anklagebank: Da gab es nicht viel zu erklären. Während er die Krumen warf, hatte ich das Gefühl: Er paßt auf, daß er nicht in den Sog der Erinnerung gerät; daß er unbeschadet darüber hinweggleitet.

Dem Untersuchungsrichter, der die Glaubwürdigkeit des Geständnisses zu prüfen hatte, machten zwei Dinge zu schaffen: das Motiv und der Umstand, daß weder die Geige noch eine Quittung für den Kauf vorgelegt werden konnten. »Es gab Momente, da sah er mich mit einem Blick an, als sei ich ein Irrer oder ein dreister Lügner.« Lange weigerte sich Van Vliet, die Überreste der Geige herauszurücken. Was er nicht erzählte, auch vor Gericht nicht, war die wahre Geschichte ihrer Vernichtung. Er selbst sei im Dunkeln darauf getreten – mehr war ihm nicht zu entlocken.

Ich sehe dich im Gerichtssaal sitzen, Martijn – ein Mann, der der Welt sein Schweigen entgegenhalten konnte wie eine Mauer.

Der Untersuchungsrichter wollte Lea vernehmen. Da muß Van Vliet die Fassung verloren haben. Dr. Meridjen schrieb ein Gutachten. Van Vliet träumte, der Arzt habe Lea davon erzählt. Danach saß er auf der Bettkante und hämmerte sich mit den Fäusten die Einsicht in den Kopf, daß kein Arzt so etwas tun würde, keiner.

Carolines Vater erreichte ein mildes Urteil, auch weil Van Vliet sich gestellt hatte. Achtzehn Monate auf Bewährung. Der Richterin muß es leichter gefallen sein, das Motiv zu verstehen. Zu ihrer Aufgabe – muß sie gesagt haben – gehöre es zu beurteilen, wie schwer es für ihn gewesen wäre, nicht zu tun, was er getan habe. Van Vliet sagte ein einziges Wort: unmöglich.

Irgendwann muß das Stichwort einer psychiatrischen Begutachtung gefallen sein. Die beiden Wörter klangen heiser, als Van Vliet davon sprach. Eine gefährliche Heiserkeit. Danach schob er stumm die Lippen vor und zurück, vor und zurück. Für eine Weile vergaß er, die Brotkrumen zu den Schwänen zu werfen und zerbröselte sie zwischen den Fingern.

Natürlich verlor er die Professur. Die Geldgeber erreichten, daß die Bezüge, die ihm blieben, gepfändet wurden. Was man ihm ließ, reichte für die Zweizimmerwohnung, in der er jetzt lebte, und auch das Auto konnte er behalten. Carolines Vater half ihm im Kampf mit der Versicherung. Am Ende erreichte er, daß sie die Kosten für Leas Aufenthalt in Saint-Rémy übernahm.

Die Zeitungen schrieben in großen Lettern, an jeder Ecke kamen sie ihm entgegen, fett und brutal. Er lief im Traum durch die Stadt und kaufte alle Exemplare auf, damit Lea keines zu sehen bekäme.

»In jener Zeit habe ich gegen den Alten in Cremona gespielt, wieder und wieder. Endlich fand ich eine Lösung. Das Problem war: Ich nehme kein Opfer an, halte jedes Gambit von vornherein für eine Falle, über die man gar nicht weiter nachdenken muß. So war es auch damals. Ich hätte den verdammten Läufer nehmen sollen, der Alte hatte sich verrechnet, und ich entdeckte auch, warum. Ich hätte ihn mit dem Bauern schlagen sollen. Jetzt zog ich den Bauern hinüber und dachte: Diese eine Bewegung, zwei, drei Zentimeter – und ich stünde nicht vor

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