Die Sonnenschwester - Teil 2
sie aufhört?«
Kurzes Schweigen, bevor Susie antwortete: »Nein. Egal, Rebekah soll sich drum kümmern. Bestimmt findet sie bis Ende der Woche eine neue Assistentin für dich. Hast du meine Nachricht erhalten?«
»Ja.«
»Bitte sei morgen pünktlich. Die wollen bei Sonnenaufgang mit dem Shooting anfangen. Du wirst um vier Uhr früh mit dem Wagen abgeholt, okay?«
»Klar.«
»War ’ne tolle Party letzte Nacht, was?«
»Hat Spaß gemacht, ja.«
»Heute bitte keine Party, Elektra. Morgen musst du frisch sein. Die Fotos sind für die Titelseite.«
»Keine Sorge, um neun liege ich artig im Bett.«
»Gut. Tut mir leid, ich muss auflegen, ich hab Lagerfeld in der anderen Leitung. Rebekah meldet sich mit einer Liste geeigneter Assistentinnen bei dir. Ciao.«
»Ciao.« Susie gehörte zu den wenigen Menschen, die es wagten, ein Telefonat mit mir abzubrechen. Sie war die mächtigste Model-Agentin von New York und hatte sämtliche großen Namen der Branche unter Vertrag. Und sie hatte mich entdeckt, als ich sechzehn war. Damals jobbte ich als Kellnerin in Paris, nachdem ich innerhalb von drei Jahren von ebenso vielen Schulen geflogen war. Pa hatte ich erklärt, es sei sinnlos, eine neue Schule für mich zu suchen, weil ich auch von der wieder fliegen würde. Zu meinem Erstaunen hatte er keinen großen Wirbel darum gemacht.
Und war weniger wütend über mein Versagen gewesen als eher enttäuscht, was mir den Wind aus den Segeln nahm.
»Ich denke, ich werde erst mal reisen«, hatte ich verkündet. »Lebenserfahrung sammeln.«
»Das meiste, was man für Erfolg im Leben braucht, lernt man nicht unbedingt in der Schule, da pflichte ich dir bei. Aber bei deiner Intelligenz hatte ich mir wenigstens einen Abschluss von dir erhofft. Du bist noch sehr jung, um auf eigenen Beinen zu stehen. Die Welt ist groß und bedrohlich, Elektra.«
»Ich komme zurecht, Pa«, hatte ich mit fester Stimme erwidert.
»Das glaube ich dir gern, doch wie willst du deine Reisen finanzieren?«
»Ich such mir einen Job. Zuerst möchte ich nach Paris.«
»Ausgezeichnete Wahl.« Pa hatte verträumt, jedoch auch ein wenig traurig genickt. »Eine unglaubliche Stadt. Einigen wir uns auf einen Kompromiss. Du willst nicht mehr zur Schule gehen, was ich verstehen kann, aber ich mache mir Sorgen, weil meine jüngste Tochter in so jungen Jahren allein in die Welt hinaus möchte. Marina kennt Leute in Paris. Bestimmt kann sie dir helfen, eine geeignete Bleibe zu finden. Verbring den Sommer dort, dann sehen wir weiter.«
»Klingt gut«, hatte ich nach wie vor erstaunt darüber gesagt, dass er mich nicht zu einem Schulabschluss zu überreden versuchte. Vermutlich wollte er mich entweder los haben oder mir so viel Freiraum geben, dass ich über kurz oder lang freiwillig zurückkehrte. Am Ende hatte Ma ihre Pariser Bekannten kontaktiert, sodass ich kurz darauf ein hübsches kleines Zimmer mit Blick über die Dächer von Montmartre mein Eigen nannte. Es war winzig, und ich musste mir das Bad mit ausländischen Austauschschülern teilen, die in der Stadt weilten, um ihr Französisch aufzupolieren, aber es war mein Reich.
Ich konnte mich gut an das Gefühl der Unabhängigkeit erinnern, als mir am ersten Abend in meinem Zimmerchen klar wurde, dass es niemanden gab, der mir vorschrieb, was ich zu tun oder zu lassen hatte. Weil auch niemand für mich kochte, war ich zu einem Café in der Straße gegangen, hatte mich an einen der Tische davor gesetzt, mir eine Zigarette angezündet, die Speisekarte studiert und Zwiebelsuppe und ein Glas Wein bestellt. Der Kellner hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, weil ich rauchte oder Alkohol orderte. Drei Gläser Wein später hatte ich schließlich den Mut aufgebracht, den Geschäftsführer des Lokals zu fragen, ob er eine Kellnerin gebrauchen könne. Und zwanzig Minuten danach war ich die wenigen Meter zu meiner Bleibe mit einer Zusage zurückgeschlendert. Zu den stolzesten Momenten in meinem Leben überhaupt zählte es, wie ich am folgenden Morgen von dem öffentlichen Telefon im Flur aus Pa anrief, der genauso erfreut klang wie damals, als meine Schwester Maia die Zusage für einen Studienplatz an der Sorbonne erhalten hatte.
Vier Wochen später hatte ich Susie, meiner jetzigen Agentin, einen Croque Monsieur serviert, und der Rest war Geschichte …
»Warum beschäftige ich mich permanent mit der Vergangenheit?« Ich hob mein Handy auf, um die weiteren Nachrichten zu checken. »Und warum denke ich die ganze Zeit an Pa …?«
»Mitch … Pa …«, murmelte ich. »Sie sind weg, Elektra, und jetzt auch Amy. Du musst nach vorn blicken.«
»Elektra, mein Schatz! Wie geht’s dir? Ich bin in New York … Hast du heute Abend was vor? Lust auf ein Fläschchen Cristal und Chow mein dans ton lit avec moi? Ich sehne mich nach dir. Ruf mich so schnell wie möglich zurück.«
Trotz meiner schlechten Laune konnte ich mir ein Lächeln über den rätselhaften Zed Eszu nicht verkneifen. Er war fabelhaft reich mit besten Connections und – obwohl nicht sonderlich groß und eigentlich überhaupt nicht mein Typ – unglaublich im Bett. Wir hatten uns drei Jahre lang regelmäßig getroffen, bis das mit Mitch ernst geworden war, und vor ein paar Wochen hatte ich die Sache mit Zed wiederbelebt, weil sie meinem Ego guttat.
Waren wir ineinander verliebt? Ich für meinen Teil konnte diese Frage eindeutig mit Nein beantworten, aber wir verkehrten in denselben New Yorker Kreisen, und das Schönste: Allein redeten wir Französisch. Wie Mitch beeindruckte Zed nicht, wer ich war, was mir inzwischen nur noch selten passierte und was ich als tröstlich empfand.
Ich betrachtete das Telefon und überlegte, ob ich Zeds Nachricht ignorieren und Susies Anweisung, früh ins Bett zu gehen, folgen oder lieber ihn anrufen und zu mir bitten sollte. Die Antwort auf diese Frage war nicht schwierig, also wählte ich Zeds Nummer. Während ich auf ihn wartete, duschte ich und schlüpfte in meinen Lieblingsseidenkimono, den ein aufstrebendes japanisches Modelabel eigens für mich entworfen hatte. Anschließend trank ich vorsorglich Unmengen von Wasser, um dem Alkohol oder anderen schädlichen Substanzen vorzubeugen, die ich mir bei seinem Besuch möglicherweise zuführen würde.
Als der Concierge mir mitteilte, dass mein Gast eingetroffen sei, sagte ich ihm, er solle Zed heraufschicken. Kurz darauf stand er mit einem riesigen Strauß weißer Rosen, meinen Lieblingsblumen, und der versprochenen Flasche Champagner vor meiner Tür.
»Bonsoir, ma belle Elektra«, begrüßte er mich, deponierte Blumen und Champagner auf einem Tischchen und küsste mich auf beide Wangen. »Comment vas-tu?«, erkundigte er sich in seinem merkwürdigen Stakkato-Französisch.
»Gut.« Ich warf einen gierigen Blick auf die Flasche. »Soll ich sie aufmachen?«
»Ich denke, das ist mein Job. Aber darf ich zuerst die Jacke ausziehen?«
»Klar.«
Er griff in seine Tasche und reichte mir ein Samtkästchen. »Als mein Blick darauf fiel, habe ich sofort an dich gedacht.«
»Danke.« Ich setzte mich aufs Sofa und schlug meine elend langen Beine unter, während ich das Kästchen in meiner Hand aufgeregt wie ein Kind beäugte. Zed kaufte mir oft Geschenke, die trotz seines immensen Reichtums nur selten protzig ausfielen. Er wählte lieber etwas Interessantes. Als ich den Deckel anhob, sah ich in dem Kästchen einen Ring mit einem ovalen buttergelben Stein. Ich nahm ihn heraus und drehte ihn im Licht des Kronleuchters.
»Bernstein«, teilte Zed mir mit. »Schau mal, ob er dir passt.«
»An welchem Finger soll ich ihn tragen?«, fragte ich spöttisch.
»Wo du möchtest, ma chère. Bei einem Heiratsantrag würde ich dir allerdings was Besseres schenken. Bestimmt kennst du die Beziehung deiner griechischen Namenspatronin zum Bernstein, oder?«
»Nein.« Ich beobachtete, wie er den Champagner entkorkte. »Wie sieht die aus?«
»Zum Beispiel der Name: Das griechische Wort für Bernstein war ›elektron‹; der Sage nach fängt er die Strahlen der Sonne ein. Die alten Griechen entdeckten, dass man Bernstein durch Reibung elektrisch aufladen und somit Energie erzeugen kann … der Name ist also perfekt für dich.« Er reichte mir lächelnd ein Glas Champagner.
»Willst du etwa behaupten, ich erzeuge Reibung?«, erwiderte ich, ebenfalls schmunzelnd. »Fragt sich nur, ob ich mich an meinen Namen angepasst habe oder ob er sich nach mir richtet. Santé.«
»Santé.« Wir stießen an, und Zed nahm neben mir Platz.
»Ähm …«
»Du überlegst, ob ich dir ein weiteres Geschenk mitgebracht habe, nicht wahr?«
»Ja.«
»Dann schau mal unter das Futter des Kästchens.«
Tatsächlich: Unter dem Samt befand sich ein Plastiktütchen.
»Danke, Zed.« Ich öffnete es begeistert, steckte den Finger hinein wie ein Kind in einen Honigtopf und rieb etwas von dem Pulver in mein Zahnfleisch.
»Gut, was?«, meinte er.
Nun schüttelte ich ein wenig davon auf den Tisch, löste den kurzen Strohhalm, der außen am Tütchen klebte, und zog mir eine Nase von dem Koks rein.
»Mmm, sogar sehr gut. Willst du auch was?«
»Meine Antwort lautet wie immer Nein. Wie geht’s dir?«
»Ach … okay.«
»Klingt nicht sonderlich begeistert, und du wirkst müde, Elektra.«
»Ich hatte ziemlich viel zu tun«, erklärte ich und trank einen großen Schluck Champagner. »Letzte Woche war ich zu einem Shooting auf Fidschi, und nächste Woche fliege ich nach Paris.«
»Du solltest einen Gang zurückschalten, dir eine Pause gönnen.«
»Sagt der Typ, der mehr Nächte in seinem Privatjet verbringt als zu Hause in seinem Bett«, neckte ich ihn.
»Möglicherweise sollten wir beide langsamer machen. Könnte ich dich zu einer Woche auf meiner Jacht überreden? Die liegt die nächsten Monate in St. Lucia, bevor ich sie für den Sommer ins Mittelmeer bringen lasse.«
»Schön wär’s«, seufzte ich. »Mein Terminkalender ist bis Juni voll.«
»Dann eben im Juni. Wir könnten zwischen den griechischen Inseln segeln.«
»Vielleicht«, meinte ich achselzuckend, weil ich seinen Vorschlag nicht wirklich ernst nahm. Er machte oft irgendwelche Pläne, die sich nie realisierten und deren Realisierung ich mir auch gar nicht wünschte. Zed war ein wunderbarer Bettgenosse für eine Nacht, doch im Alltag hätte er mich mit seiner Pingeligkeit und seiner unglaublichen Arroganz vermutlich genervt.
Als sich der Concierge über die Gegensprechanlage meldete, stand Zed auf, um ranzugehen. »Schicken Sie’s rauf, danke.« Dann schenkte er uns Champagner nach. »Das Chow mein ist da. Ein besseres hast du noch nie gegessen, das verspreche ich dir. Wie läuft’s bei deinen Schwestern?«
»So genau weiß ich das nicht. In letzter Zeit war so viel zu tun, da hatte ich keine Zeit, sie anzurufen. Von Ally weiß ich, dass sie ein Baby bekommen hat – einen kleinen Jungen. Er heißt Bär; das finde ich süß. Da fällt mir ein: Wir wollen uns alle im Juni in Atlantis treffen und mit Pas Jacht zu den griechischen Inseln fahren, um an der Stelle einen Kranz ins Meer zu werfen, wo Allys Ansicht nach sein Sarg versenkt wurde. Dein Dad wurde doch ganz in der Nähe am Strand gefunden, oder?«
»Ja, aber wie du denke ich nicht gern über den Tod meines Vaters nach, weil mich das aus der Fassung bringt«, erwiderte Zed barsch. »Ich beschäftige mich lieber mit der Zukunft.«
»Ein merkwürdiger Zufall ist es trotzdem …«
Als die Klingel an der Tür ging, öffnete Zed.
Wenig später brachte er zwei Styroporboxen in die Küche. »Hilf mir mal bitte, Elektra.«
II
Als ich am folgenden Tag vom Fotoshooting nach Hause kam, duschte ich heiß und legte mich mit einem Glas Wodka ins Bett. Ich war völlig kaputt – wer meinte, Models schwebten bloß in hübschen Kleidern über den Laufsteg und verdienten einen Haufen Geld, sollte mal einen Tag lang versuchen, mein Leben zu führen. Um vier Uhr morgens in einer eisig kalten Lagerhalle irgendwo Downtown zu stehen, sechsmal neu frisiert und geschminkt zu werden und sich ebenso oft umzuziehen war definitiv nicht easy. Öffentlich beklagte ich mich nie darüber – schließlich arbeitete ich nicht in einem chinesischen Ausbeuterbetrieb, und für das, was ich tat, wurde ich nun wirklich ordentlich bezahlt –, aber jeder Mensch sieht hauptsächlich sich selbst, und auch Leute, die nur Luxusprobleme plagen, dürfen insgeheim ein bisschen jammern, oder?
Zum ersten Mal an jenem Tag war mir warm. Ich lehnte mich in die Kissen zurück und checkte die Nachrichten auf meiner Mailbox. Rebekah, Susies Assistentin, hatte mir viermal daraufgesprochen. Sie teilte mir mit, sie habe mir per Mail die Lebensläufe geeigneter PAs geschickt, die ich mir so schnell wie möglich vornehmen solle. Ich scrollte sie auf meinem Laptop durch, als mein Handy klingelte. Wieder Rebekah.
»Ich seh sie mir gerade an«, erklärte ich, bevor sie etwas sagen konnte.
»Wunderbar, danke. Ich hätte da eine junge Frau, die meiner Ansicht nach perfekt für dich wäre. Allerdings hat sie noch ein anderes Jobangebot und muss sich bis morgen entscheiden. Könnte sie am frühen Abend bei dir vorbeikommen, damit ihr euch unterhaltet?«
»Ich bin eben erst von dem Fotoshooting für Vanity Fair zurück und …«
»Du solltest sie dir wirklich anschauen, Elektra. Sie kann Superreferenzen vorlegen und hat als persönliche Assistentin für Bardin gearbeitet. Du weißt, wie schwierig der ist. Ich meine …«, fuhr Rebekah hastig fort, »… sie ist gewöhnt, unter Stress für Topleute der Modebranche zu arbeiten. Darf ich sie dir vorbeischicken?«
»Okay«, seufzte ich, um nicht so »schwierig« zu wirken, wie sie mich offenbar einschätzte.
»Prima, dann sag ich ihr Bescheid. Sie wird begeistert sein, ist ein großer Fan von dir.«
»Gut. Ich erwarte sie um sechs.«
Um Punkt sechs informierte mich der Concierge, dass mein Gast eingetroffen sei.
»Schicken Sie sie rauf«, bat ich ihn müde. Ich freute mich nicht sonderlich auf das Gespräch mit der jungen Frau, weil ich, seit Susie meinte, ich brauche Hilfe bei der Organisation meines Lebens, eine ganze Reihe eifriger Mädchen eingestellt hatte, die wenige Wochen später wieder gegangen waren.
»Bin ich schwierig?«, fragte ich mein Spiegelbild und vergewisserte mich, dass keine Speisereste zwischen meinen Zähnen steckten. »Möglich. Aber das ist ja nichts Neues.« Ich leerte das Glas mit Wodka und strich mir über die Haare, die mein Stylist Stefano mir vor Kurzem zu kleinen, eng an der Kopfhaut anliegenden Zöpfen geflochten hatte, um lange Extensions einarbeiten zu können. Eine ziemlich schmerzhafte Prozedur.
Als es an der Tür klopfte, öffnete ich, gespannt, was mich auf der anderen Seite erwartete. Und war erstaunt. Mit dieser kleinen, gepflegten Person im schlichten braunen Kostüm, dessen Rock ziemlich unmodern bis über die Knie reichte, hatte ich nicht gerechnet. Mein Blick wanderte hinunter zu ihren Füßen, die in einem Paar, wie Ma es ausgedrückt hätte, »vernünftiger« brauner Halbschuhe steckten. Am meisten überraschte mich das Kopftuch, das sie um Stirn und Hals gewunden trug. Sie hatte ein hübsches Gesicht, eine winzige Nase, hohe Wangenknochen, volle rosige Lippen und einen reinen milchkaffeefarbenen Teint.
»Hallo.« Die Frau begrüßte mich lächelnd, ihre braunen Augen strahlten. »Ich heiße Mariam Kazemi und freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Miss d’Aplièse.«
Eine so tiefe, warme Stimme wie die ihre, die mich an goldenen Honig denken ließ, hätte ich auch gern gehabt.
»Hi, Mariam, kommen Sie rein.«
»Danke.«
Während ich mit großen Schritten zum Sofa ging, ließ Mariam Kazemi sich Zeit und betrachtete die teuren Gemälde voller Kleckse und Kringel. Ihre Miene verriet mir, dass sie ihr genauso wenig gefielen wie mir.
»Die gehören nicht mir, sondern dem Vermieter«, fühlte ich mich bemüßigt zu erklären. »Was darf ich Ihnen anbieten? Wasser, Kaffee, Tee oder etwas Stärkeres?«
»Danke, ich trinke keinen Alkohol. Wasser, wenn Ihnen das keine Umstände macht.«
»Gern.« Ich ging in die Küche und nahm eine Flasche Evian aus dem Kühlschrank. Kurz darauf gesellte sie sich zu mir.
»Haben Sie kein Personal?«
»Doch, eine Zugehfrau, aber die meiste Zeit bin ich allein hier.« Ich reichte ihr das Wasser.
Sie trat damit zum Fenster und blickte hinaus.
»Ganz schön weit oben.«
»Ja.« Diese Frau, die so beruhigend wirkte wie gutes Parfüm und gänzlich unbeeindruckt von mir und der tollen Wohnung zu sein schien, imponierte mir. Andere potenzielle Kandidatinnen waren für gewöhnlich aufgeregt und versprachen mir das Blaue vom Himmel herunter.
»Wollen wir uns setzen?«, schlug ich vor.
»Danke, gern.«
Sobald wir im Wohnzimmer saßen, fragte ich: »Sie haben also für Bardin gearbeitet?«
»Ja.«
»Warum haben Sie dort aufgehört?«
»Weil mir eine Stelle angeboten wurde, die möglicherweise besser für mich passt.«
»Nicht, weil er schwierig war?«
»Nein«, meinte Mariam schmunzelnd. »Er war überhaupt nicht schwierig, ist aber vor Kurzem nach Paris zurückgegangen, während ich hier lebe. Wir sind nach wie vor freundschaftlich verbunden.«
»Wunderbar. Und warum möchten Sie bei mir anfangen?«
»Weil ich Ihre Arbeit sehr bewundere.«
Wow, dachte ich. Es passierte nicht oft, dass jemand das, was ich machte, als »Arbeit« bezeichnete.
»Danke.«
»Ich halte es für eine echte Gabe, den Produkten, für die man wirbt, ein Gesicht zu geben.«
Sie öffnete ihre schlichte braune Tasche, die eher an einen Schulranzen als an ein