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Der Mensch ist verschieden - Dreiunddreißig Charaktere - Kapitel 4

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  3. Kapitel 4
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Anschließend teilt er seiner Frau mit, er müsse in die Stadt und dringend nach einem ganz bestimmten Gegenstand fahnden, ohne diesen Gegenstand hätte sein Leben keinen Sinn.

Die Frau packt ihre Koffer und fährt zur Mutter aufs Land. Dort schläft sie neben dem Telefon.

Die Mutter fragt: „Schlägt er dich?“

„Mama!“, empört sich die Frau. „Würde er mich schlagen, würde ich ihn verlassen!“

„Aber du hast ihn doch verlassen, Kind.“

„Ich habe ihn verlassen, weil ich mit einem Süchtigen nicht zusammenleben kann. Und bitte, nenn mich nicht Kind.“

„Aber er verdient doch sein Geld gut.“

„Ja, das tut er.“

„Ist er geizig?“

„Im Gegenteil. Das weißt du doch, Mama.“

„Und er respektiert dich doch. Jedenfalls wenn ich bei euch war, hatte ich diesen Eindruck.“

„Ja, das tut er. Er respektiert mich.“

„Und kostet euch seine Sucht so viel?“

„Nein, das tut sie nicht. Sie kostet nicht viel. Er kauft nur Gegenstände, die weiter nichts wert sind.“

„Musst du die Sachen aufräumen, wenn sie herumliegen?“

„Nein, das macht er selber. Er räumt die Sachen nicht auf, er schmeißt sie weg.“

„Trennt er den Müll nicht anständig?“

„Doch, das tut er. Mama, deine Fragerei ist lächerlich!“

„Handelt es sich bei den Sachen um Hehlerware?“

„Nein! Bitte, Mama, hör auf!“

„Wo liegt dann das Problem?“

„In seiner Nimmersattheit.“

„Ist er auch im Bett nimmersatt?“

„Nein, im Bett ist er ganz normal. Wie ich auch. Wir sind ganz normal im Bett, Mama. Ein ganz normales Ehepaar.“

„Aber du hättest es manchmal lieber anders?“

„Mama, bitte! Bitte, Mama!“

„Also ich sehe nicht, wo euer Problem liegt.“

Die Frau denkt nach. Eine Nacht schläft sie noch bei ihrer Mutter, das waren zusammen dann also zwei Nächte, und kehrt nach Hause zurück. Ihr Mann sitzt in der Küche, er hat sich Abendbrot gemacht, aus dem Radio erklingt Musik, etwas Leichtes, er trägt das karierte Flanellhemd, es steht ihm gut. Er wendet ihr den Kopf zu und lächelt.

„Da bist du ja wieder“, sagt er.

„Ja, da bin ich wieder“, sagt sie und lächelt zurück.

14 Der Uferlose und die Furchtsame in Verbindung

Sitzt der Uferlose auf seinem Spezialstuhl, hängt ihm sein Bauch bis an seine Knie, und sein Leben ist ihm wie in die hohle Hand geschissen. Er schließt die Augen und sieht sich noch mehr in die Breite gehen, diesmal mitten auf dem Ozean, den Kontinenten fern. Einsam ist der Uferlose, und seine Masse schwimmt und löst sich auf im Element. Er findet kein Ende in allem, er kann nicht abbeißen, nicht stillstehen, nicht aufhören, er arbeitet wie eine Maschine, und das ist es, was aus dem Uferlosen geworden ist, was er vielleicht immer schon war: eine Maschine, die keinen Aus-Knopf hat.

Das Böse ist, wenn einer nicht aufhören kann.

Die Furchtsame dagegen sieht in ihrer Einbildung einen Menschen vor sich, der mit einem Messer sich selbst entzweischneidet und seine Haut wie einen Pullover über den Kopf zieht. Beim Spazieren stolpert sie über Strohhalme. Bietet ihr ein Passant eine hilfreiche Hand, senkt die Furchtsame den Kopf wie ein Stück Malheur. Sie wartet auf die Stunde Null, und ist die Stunde Null gekommen, schneidet sie sich eigenhändig mit einem Messer entzwei und zieht sich ihre Haut wie einen Pullover über den Kopf.

Furchtsam ist, wer nicht weiß, was er will, und darauf wartet, dass es ihm sein Feind erklärt.

Wenn sich ein Uferloser und eine Furchtsame lieben, dann wird der Uferlose aus Respekt und aus heiliger Furcht vor der Furchtsamen seiner Uferlosigkeit ein Ufer ziehen. Und die Furchtsame wird, weil die Liebe ihr uferlos erscheint wie der Ozean, ihre Furcht ein wenig bezwingen müssen, will sie in diesem Wasser schwimmen.

Wir aber wünschen den beiden ein gutes Gelingen!

15 Der Magenleidende

Magenleiden als eine vorübergehende Krankheit kann mit Medikamenten geheilt werden. Magenleiden als Existenzform hat die Krankheit zwar unweigerlich zur Folge, wurzelt aber in der Überzeugung, mit dem Augenblick der Geburt hätten sich die Dinge der Welt gegen einen verschworen.

Der Magenleidende aber bezweifelt die Möglichkeit der Harmonie – Harmonie in seinem Körper, Harmonie in seinem Leben, Harmonie im Universum.

Selten streift den Magenleidenden die Freundlichkeit. Deshalb, so erklärt er es sich anfangs, sei er einer, den der Magen zwickt. Er sieht sein Magenleiden als eine Folge der Freudlosigkeit und nicht als deren Ursache. Nach außen hin gibt er an, gesund zu sein, nur gerade im Moment fühle er sich nicht optimal.

Irgendwann gelangt der Magenleidende zu der Überzeugung, die Dinge dieser Welt fürchteten sich vor nichts mehr, als von ihm verdaut zu werden. Er setzt vor die Ursache eine weitere Ursache, nämlich seinen scharfen Kritikerblick. Einer wie ich, sagt er, frisst die Welt. Das Gute schluckt er hinunter und verdaut es und scheidet es als ein Schlechtes wieder aus. Am Schlechten würgt er und kann nur kotzen. Am Ende ist alles schlecht.

Die Haut des Magenleidenden hat die Farbe einer unreifen Quitte.

Der Magenleidende redet nicht, weil er Angst hat, aus dem Mund zu riechen. Aber anstatt den Arzt zu konsultieren, behandelt er seinen kranken Magen wie einen missratenen Sohn – er ignoriert ihn. Beim Essen gelingt es ihm nie, seinen Teller zu leeren, dabei leidet er ständig unter Hungergefühl. Er hat Mitleid mit den Dingen. Er weiß ja, sie können vor ihm nicht bestehen. Manchmal ertappt er sich, dass er sogar Verständnis für die Speisen hat, die sich dagegen wehren, von ihm verschlungen und verdaut zu werden, obwohl genau das ja ihre Bestimmung ist. Solange ich nicht an Gewicht verliere, denkt er sich in solchen Momenten, ist noch nicht alles verloren. Einmal spuckt er Galle in die Klomuschel und putzt sich anschließend minutenlang die Zähne und gurgelt mit grünem Mundwasser. Den ganzen Tag über führt sich der Magenleidende kleine Brotstückchen zu. Ist nämlich der Magen arbeitslos, wird er frech wie ein Mensch ohne Sinn des Lebens.

Der Magenleidende notiert: „Nicht nur der Mensch, sondern auch die Tiere und Pflanzen und die Dinge müssen an den Sinn des Lebens glauben. Erst dann hat der Sinn einen Sinn.“

Einmal löste der Magenleidende ein längst fälliges Versprechen ein und besuchte mit seinen Kindern und dem Hund den Wiener Prater. Er setzte seinen Sohn Moritz (6) und seine Tochter Martha (8) in die Geisterbahn und wartete mit dem Hund am Eingang. Und prompt: Wie von der Hölle geschickt, überfiel ihn ein Magenkrampf. Sein Oberkörper krümmte sich nach vorne, seine Handfläche lag flach an einem Baumstamm. Sein Hund strich ihm um das Hosenbein. Der Lärm um ihn herum war durchsetzt von Musiken wie ein billiger Speck von Fettfäden. Gelächter war um ihn wie verkrusteter Senf. In jedes Lachmaul hätte er eine Dynamitstange rammen wollen, bis hinunter in den Magen, dann die Zündschnüre verlegen und zusammenbinden, anzünden und … Nun hatte er kein Verständnis mehr für die Dinge der Welt und kein Mitleid mit ihnen.

16 Der Sich-Unterwerfende

Sich zu unterwerfen, ist etwas Wunderbares! Der Entschluss, es zu tun, dagegen ist eine Qual. Es ist der große Abschied. „Wenn die bunten Fahnen wehen“, heißt es, „geht die Fahrt wohl übers Meer …“ – Und mancher kommt nie wieder zurück. Er bleibt. Aber alle, die das Schiff betraten, rechneten sich im Stillen und im Spiel vor, wie es wäre, ein neues Leben zu beginnen. Die Unterwerfung ist so ein neues Leben.

Hier aber endet bereits der Vergleich mit einer Auswanderung. Denn die meisten Emigranten haben irgendwann Heimweh. Wer sich unterworfen hat, will nicht mehr zurück in die Freiheit. Er wird nie wieder frei sein. Er wird nie wieder von der Freiheit sprechen, und wenn er doch das Wort in den Mund nimmt, dann wie ein Wort aus einer fremden Sprache, die er nicht versteht. Der Sinn von Freiheit schließt sich ihm nicht mehr auf. Die anderen werden von ihm reden, werden an die Zeiten erinnern, als er ein Mann war, der sich noch nicht unterworfen hat.

Unterwerfen ist übrigens genau das richtige Wort. Während das Wort untergeben von einer gewissen freien Zeit des Tages erzählt, in der der Untergebene nach seinem Willen schaltet und waltet, bleibt dem Unterworfenen nichts mehr, was er mit dem Possessivpronomen mein kennzeichnen könnte. Das Meine muss weggeworfen werden. Es lässt sich nicht einfach weglegen. Das Meine ist mit einem Magnetismus ausgestattet, so dass es zum Ich zurückkehrt, wenn es nicht weit genug von diesem weggebracht wird. Es muss geworfen werden.

Diejenigen aber, die sich daran erinnern, wie der Sich-Unterwerfende einmal gewesen ist, die erzählen:

„Der Chef meines Vaters war ein Emporkömmling und liebte nichts mehr, als seine Angestellten zu demütigen. Er trank viel, und als er völlig betrunken war, befahl er meinem Vater, um den Tisch herumzugaloppieren und zu wiehern. Ich sah meinen Vater an. Er war ein schwacher Mensch, und er hatte immer Angst gehabt, nicht zu entsprechen. Er schaute auf seinen Teller und tat, als hätte er nicht gehört, was ihm befohlen worden war. Ja, befohlen! Sein Vorgesetzter brüllte ihn an, wenn er nicht augenblicklich seinen Befehl ausführe, würde er entlassen, und wenn er ihn ausführe, würde er befördert. Mein Vater stand auf und galoppierte um den Tisch, er wieherte verhalten, bis er angefeuert wurde, dann jagte er um den Tisch wie ein wildes Pferd. Alle lachten bis auf mich, seinen Sohn. Ich schämte mich und verachtete meinen Vater. Auf dem Heimweg redete er kein Wort, und zur Mutter sagte er, er würde befördert. Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn.

Ich hatte geschlafen und das alles geträumt, solche Dinge passieren in russischen Romanen. Mein Vater hätte sich nie so erniedrigen lassen. Und doch stimmten ein paar Dinge. Der Chef meines Vaters war ein Parvenü gewesen und hatte seine Leute schikaniert, zwar nicht russisch und mit Wodka, sondern hinterhältig. Er hatte seine Zuträger, die ihm berichteten. Die Atmosphäre in dem Amt war vergiftet. Ich wusste, mein Vater war ständig auf der Suche

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