Das verlorene Symbol - Kapitel 71
ihr Einsatzkommando sich versammelt hatte, und bereitete Bellamy auf seine Aufgabe vor. Der Architekt war noch immer wie betäubt von dem File, das er auf Satos Laptop gesehen hatte. Wie gesagt … es handelt sich um eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit. Bellamy hatte auf Anhieb verstanden, was Sato meinte, und zeigte sich nun kooperativ.
»Alles bereit, Ma’am«, meldete Agent Simkins.
Auf Satos Befehl drängten ihre Agenten Bellamy über das Dach und verschwanden in einem der Treppenhäuser nach unten, um ihre Positionen auf dem Platz einzunehmen.
Sato ging zum Rand des Dachs und spähte hinunter. Der rechteckige bewaldete Park nahm den gesamten Block in Anspruch. Jede Menge Platz, um sich zu verstecken. Satos Team war sich sehr wohl bewusst, wie wichtig es war, unbemerkt in Stellung zu gehen. Falls ihr Zielobjekt misstrauisch wurde und einfach weiterfuhr …
Sato wollte gar nicht erst darüber nachdenken.
Der Wind hier oben war stürmisch und kalt. Sato schlang die Arme um den Oberkörper und suchte mit den Füßen festen Halt, um nicht über die Kante geweht zu werden. Vom Dach aus sah der Franklin Square kleiner und viel weniger bebaut aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sato fragte sich, welches der Gebäude die Nummer acht war. Sie hatte Nola gebeten, es herauszufinden, und wartete jeden Augenblick auf ihren Rückruf.
Dann tauchten Bellamy und ihre Leute auf, klein wie Ameisen, und schwärmten in die Dunkelheit aus. Simkins positionierte Bellamy auf einer kleinen Lichtung in der Nähe des Parkzentrums. Dann suchten er und sein Team sich Deckung zwischen den Bäumen und verschwanden außer Sicht. Binnen weniger Sekunden war Warren Bellamy allein. Zitternd vor Kälte ging er im Licht einer Straßenlaterne auf und ab.
Sato verspürte kein Mitleid mit ihm.
Sie zündete sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und genoss die Wärme, die sich in ihrer Lunge ausbreitete. Zufrieden, dass unten alles in Ordnung war, trat sie vom Rand des Dachs zurück und wartete auf die beiden ausstehenden Rückrufe von Security Analyst Nola und Agent Hartmann, den sie nach Kalorama Heights geschickt hatte.
KAPITEL 94
Langsam! Langdon hielt sich am Vordersitz fest, als der Escalade um eine Ecke schoss und zu schlittern drohte. CIA-Agent Hartmann schien den Befehl, so schnell wie möglich nach Kalorama Heights zu fahren, ziemlich wörtlich zu nehmen. Das Hochgeschwindigkeitsrennen mit den roten Ampeln auf der Embassy Row war schon beunruhigend genug gewesen, doch nun rasten sie durch die kurvenreichen Vorortstraßen von Kalorama Heights. Das machte die Fahrt nicht eben sicherer. Katherine, die an diesem Abend bereits im Haus des Entführers gewesen war, wies Hartmann mit lauter Stimme an, wie er fahren musste.
In jeder Kurve schaukelte die Ledertasche zu Langdons Füßen hin und her. Offenbar war der Deckstein von der Pyramide gerutscht und kullerte nun auf dem Boden der Tasche von links nach rechts. Aus Angst, er könne beschädigt werden, fischte Langdon so lange in der Tasche herum, bis er den Stein in der Hand hielt. Er war noch immer warm, doch der glühende Text war nun verschwunden. Nur die ursprüngliche Inschrift war noch sichtbar:
The secret hides within The Order.
Als Langdon den Deckstein in eine Seitentasche stecken wollte, bemerkte er, dass die Oberfläche des Steins mit winzigen weißen Klumpen einer merkwürdigen Substanz bedeckt war. Verwirrt versuchte er sie abzuwischen, doch sie klebten fest und fühlten sich hart an … wie Plastik. Was hat das zu bedeuten? Dann sah er, dass auch die Oberfläche der Pyramide mit den kleinen weißen Punkten übersät war. Langdon zupfte einen davon mit dem Fingernagel ab und rollte ihn zwischen den Fingern.
»Wachs!«, stieß er hervor.
Katherine blickte ihm über die Schulter. »Bitte?«
»Überall auf der Pyramide und dem Deckstein ist Wachs. Das verstehe ich nicht. Wo kommt das her?«
»Vielleicht aus deiner Tasche?«
»Glaub ich nicht.«
Als sie um die nächste Kurve bogen, deutete Katherine durch die Windschutzscheibe und sagte zu Hartmann: »Das ist es. Wir sind da.«
Langdon blickte auf und entdeckte die rotierenden Warnlichter eines Sicherheitsfahrzeuges, das auf der Zufahrt direkt vor ihnen parkte. Das Eingangstor war zur Seite geschoben, und Hartmann jagte auf das Grundstück, ohne langsamer zu werden.
Vor ihnen erhob sich eine beeindruckende Villa. Das Haus war hell erleuchtet, die Eingangstür stand weit offen. Ein halbes Dutzend Fahrzeuge parkte in einem wilden Durcheinander auf der Zufahrt und dem Rasen. Offenbar waren sie in großer Eile eingetroffen. Die Motoren mehrerer Wagen liefen noch; ihre Scheinwerfer brannten und waren auf das Haus gerichtet; nur einer leuchtete in Richtung Zufahrt und blendete sie, als sie mit dem SUV vorfuhren.
Agent Hartmann brachte den Wagen mit rutschenden Reifen auf dem Rasen neben einer weißen Limousine mit der bunten Aufschrift ›Preferred Security‹ zum Stehen. Geblendet von den vielen zuckenden, rotierenden Lichtern und Scheinwerfern, konnten sie kaum etwas erkennen.
Katherine sprang sofort aus dem Wagen und rannte zum Haus. Langdon hängte seine Tasche um die Schulter, ohne vorher den Reißverschluss zu schließen. Er sprintete los und folgte Katherine über den Rasen zur Eingangstür. Stimmengewirr drang aus dem Haus. Hinter ihm piepste der SUV, als Agent Hartmann ihn per Funk verriegelte und ihnen dann folgte.
Katherine hetzte die Stufen zum Eingang hoch, stürmte durch die Tür und verschwand im Haus. Langdon war dicht hinter ihr und sah, dass sie die Diele bereits durchquert hatte und auf das Zimmer zueilte, aus dem die Stimmen kamen. Hinter ihr, am Ende der Eingangshalle, stand ein großer Tisch, an dem eine Frau in der Uniform eines Sicherheitsdienstes mit dem Rücken zu ihnen saß.
»Officer!«, rief Katherine, ohne stehen zu bleiben. »Wo ist Peter Solomon?«
Langdon stürmte hinter ihr her, als er plötzlich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Durch eine offene Tür zu seiner Linken und das dahinter liegende Wohnzimmerfenster konnte er sehen, wie sich das Eingangstor zum Anwesen schloss. Seltsam. Und noch etwas fiel ihm auf – etwas, das er wegen der flirrenden Lichter und blendenden Scheinwerfer nicht bemerkt hatte, als sie vorgefahren waren. Die wild geparkten Fahrzeuge, die in der Auffahrt standen, sahen ganz und gar nicht wie die üblichen Polizei- und Notfallwagen aus, für die er sie anfangs gehalten hatte.
Ein Mercedes? … Ein Hummer? … Ein Tesla Roadster?
Im gleichen Augenblick ging Langdon auf, dass die Stimmen, die sie hörten, keine natürlichen Stimmen waren. Verdammt, sie kommen aus einem Fernseher, der auf volle Lautstärke gedreht ist!
Wie in Zeitlupe drehte er sich um und rief die Eingangshalle hinunter: »Katherine, warte!«
Doch schon in der Drehung sah er, dass Katherine Solomon nicht mehr lief.
Sie flog durch die Luft.
KAPITEL 95
Katherine war durch den Flur zu der Wachfrau im Wohnzimmer gerannt, als sie unvermittelt über ein unsichtbares Hindernis stolperte. Sie flog ein paar Schritte weit und schlug hart auf dem Holzfußboden auf.
Der Aufprall trieb ihr die Luft aus der Lunge. Über ihr schwankte gefährlich ein schwerer Garderobenständer, ehe er umkippte und sie nur um Haaresbreite verfehlte. Benommen hob Katherine den Kopf und stellte verwirrt fest, dass die Frau vom Wachdienst im Sessel saß und keinen Finger gerührt hatte. An dem umgekippten Garderobenständer baumelte ein dünner Draht, der über den Boden der Halle hinweg gespannt gewesen war: der Grund für ihren Sturz. Aber warum sollte jemand …?
»Katherine!«, rief Langdon ihr erschrocken hinterher. Sie drehte sich auf die Seite und blickte zu ihm zurück, und das Blut gefror ihr in den Adern. Robert! Hinter dir! Sie versuchte zu schreien, doch sie bekam immer noch keine Luft und konnte nur in hilflosem Entsetzen mit ansehen, wie Langdon zu ihr gerannt kam, wie in Zeitlupe, ohne zu ahnen, dass hinter ihm Agent Hartmann über die Schwelle taumelte. Blut sprudelte über die Finger des Agenten, mit denen er seine Kehle umklammerte, während er nach dem Griff eines schweren Schraubenziehers tastete, der aus seinem Hals ragte.
Als Hartmann vornüberkippte und mit dem Gesicht aufschlug, erschien sein Angreifer.
O Gott … nein!
Der muskelbepackte Hüne hatte sich offensichtlich im Foyer versteckt gehalten. Er war nackt bis auf ein merkwürdiges Unterkleid, das aussah wie ein Lendenschurz, und seine Haut war von Kopf bis Fuß mit seltsamen Tätowierungen bedeckt. Hinter ihm schloss sich die Haustür, und Katherine sah, wie das Ungeheuer mit gewaltigen Sätzen Langdon folgte.
Agent Hartmann schlug genau in dem Augenblick krachend auf dem Boden auf, als die Haustür ins Schloss fiel. Langdon schreckte auf und fuhr herum, doch zu spät. Der Tätowierte war bereits bei ihm und stieß ihm ein merkwürdiges Gerät in den Rücken. Es gab einen Lichtblitz. Lautes elektrisches Knistern war zu vernehmen. Langdon erstarrte. Mit weit aufgerissenen Augen kippte er zur Seite und landete betäubt auf seiner Ledertasche. Die Pyramide fiel heraus und kullerte über den Boden.
Ohne sein Opfer eines weiteren Blickes zu würdigen, trat der tätowierte Riese über Langdon hinweg und kam auf Katherine zu. Auf allen vieren wich sie kriechend vor ihm zurück, bis sie gegen einen Sessel prallte. Die Frau vom Wachdienst, die in ebendiesem Sessel saß, wankte und kippte leblos zu Boden. In ihrem maskenhaft starren Gesicht stand ein Ausdruck nackten Entsetzens. Ihr Mund war mit einem Knebel verstopft.
Der Riese war bei Katherine angekommen, bevor sie reagieren konnte. Mit enormer Kraft packte er sie bei den Schultern. Sein Gesicht, das nun nicht mehr mit Make-up bedeckt war, bot einen furchterregenden Anblick. Seine Muskeln spannten sich, und Katherine wurde auf den Bauch gedreht wie eine Stoffpuppe. Für einen Moment glaubte sie, das Ungeheuer würde ihr die Wirbelsäule brechen, als er ihr sein Knie in den Rücken stemmte, ihre Arme packte und nach hinten riss.
Katherine hatte den Kopf zur Seite gedreht und sah Langdon mit abgewandtem Gesicht ein Stück entfernt am Boden liegen. Er zuckte und zitterte immer noch am ganzen Leib. Dahinter lag Agent Hartmann regungslos im Foyer.
Kaltes Metall schnitt in Katherines Handgelenke, und panisch erkannte sie, dass der Riese